Di. Mrz 19th, 2024

Wörter: 1094 ; Linkslevel: -1 ; Nichtlinke

privare [lat. = rauben]

„Privatisierung” bedeutet im Kapitalismus die Überführung öffentlichen Eigentums in private Hand. Dies bedeutet, daß das bisher öffentliche Eigentum nun der Vermarktungslogik unterworfen wurde und der Erzeugung von Profit dient, wozu es gekauft wurde. Daher geht die „Privatisierung“ in der Regel mit einem Verlust aller vorherigen öffentlichen Funktionen einher. Sollen diese trotzdem aufrecht erhalten werden, müssen zu diesem Zwecke öffentliche Gelder in den nun privaten Betrieb fließen.

Öffentliche Funktionen können sehr vielfältig sein. Oft handelt es sich um Versorgungsfunktionen wie z. B. die Versorgung mit sauberem, bezahlbarem Trinkwasser, bezahlbarem Wohnraum, preiswertem Strom, preiswerter, sauberer Abwasser- oder Müllentsorgung, Versorgung auch entlegener Gebiete mit preiswertem, oder taktdichtem, öffentlichen Nahverkehr und vieles mehr. Des weiteren gibt es die Möglichkeit ökologische Funktionen, Gleichstellungsfunktionen, arbeitsmarktpolitische Funktionen, Stadt- oder regionalpolitische Funktionen, ausbildungspolitische Zielstellungen und viele andere Funktionen zu implementieren und umzusetzen, sofern man über öffentliches Eigentum verfügt. Öffentliches Eigentum verleiht demokratisch gewählten Gremien wie z. B. Bürgerschaften, Bezirksverordnetenversammlungen, Landtagen oder öffentlichen Trägern also Handlungsspielraum. Dieser öffentliche Handlungsspielraum geht bei „Privatisierung“ verloren.
 

Wenn ein „privatisierter“ Betrieb nun der Notwendigkeit Profit zu erwirtschaften unterworfen wird, können diese Funktionen nicht mehr erfüllt werden. Da der Profit außerdem so hoch sein muß, daß sich die Investition für den Privateigentümer in wenigen Jahren rentiert, kommt es außerdem zu einigen zusätzlichen unschönen Erscheinungen. Um die erforderliche Profitrate zu erreichen, muß das Personal verringert oder auch stärker ausgebeutet werden, das heißt, daß Löhne gesenkt und Arbeitszeiten ausgedehnt und „verdichtet“ werden. Diese Profitrate reicht den neuen Eigentümern allerdings in der Regel nicht. Daher wird meistens noch an der Substanz gespart.

Erfahrungen wie beispielsweise mit der „Privatisierung“ von Wasserwerken in Großbritannien zeigen, daß nach wenigen Jahren die Wasserqualität sinkt, da die Anlagen nicht ausreichend gewartet und instand gehalten werden und auch notwendige Investitionen nicht getätigt werden. Die Ursache hierfür liegt darin, daß das Management nicht nur Profit erwirtschaften, sondern auch steigern muß. Wenn man jedoch einen intakten Betrieb übernimmt ( – ansonsten wäre er nicht verkäuflich (!) – ), kann man zuerst einmal große Gewinne machen. Das Management hat die Aktionäre dann an eine Profitrate mit geringeren Wartungskosten gewöhnt und kann dann schlecht zurück zu einer gesunden Betriebswirtschaft finden. Dieses Dilemma wird dann – falls nicht schon längst erfolgt, oder von der verkaufenden öffentlichen Hand durch Vertrag verboten – durch Preiserhöhung, der wichtigsten typischen üblen Erscheinung von „Privatisierung“ – ausgeglichen.

Dabei behaupten konservative Politiker demagogisch, nach einer „Privatisierung“ würden die Preise sinken, da Private besser wirtschaften würden. Es ist jedoch immer das Gegenteil der Fall! Um die Privatisierung glatt und billig über die Bühne zu kriegen, wird meist intensiv behauptet, der zu „privatisierende“ Betrieb wäre marode oder dem Ende nahe. Oft gibt es im Vorfeld Sabotage im Management.
 

Ein weiteres wichtiges Merkmal der „Privatisierung“ ist, daß ein ehemals für einen Teil der Daseinsvorsorge zuständiger Betrieb nun privat ist und die nun abhängigen Kunden in eine private Abhängigkeit rutschen, ohne etwas dagegen tun zu können. Die konservativen Politiker (und mittlerweile sind auch schon Politiker aus dem linken Lager auf diesem Holzweg), welche diesen Verkauf in der Regel tätigen, haben mit der Versorgungsfunktion nichts am Hut. Der Sinn eines Betriebes ist für sie, Profit zu erwirtschaften. Demagogisch behaupten sie, daß hier ja „Wettbewerb“ herrschen würde.
Abgesehen davon, daß der „Wettbewerb“ der freien Marktwirtschaft ein Euphemismus für Konkurrenz ist, ist das eine Lüge, da die Konkurrenz zwischen Bewerbern allenfalls in der Zeit der Ausschreibung stattfindet. Wird beispielsweise ein Wasserversorgungsbetrieb „privatisiert“, kann der Verbraucher ja nicht zwischen den Wasserhähnen verschiedener Anbieter entscheiden, sondern er hat sinnvoller Weise nur einen lokalen Versorger. Daher entsteht, sobald der Hammer fällt, ein lokales privates Monopol, was logischerweise zwingend zu besonders ungewöhnlichen Preissteigerungen führt.
 

>Ein weiteres sehr charakteristisches Merkmal der „Privatisierung“ ist die Tatsache, daß die jeweilige öffentliche Hand (eine Kommune oder ein Landkreis), die beispielsweise von neoliberalen Parteien durch Prestigeprojekte, Verschwendung oder Korruption in die Pleite gewirtschaftet wurde, in der Regel aus Not verkaufen. Jemand, der aus Not verkauft, verkauft jedoch besonders billig. Damit wird gerade in einer Situation, in der öffentliches Eigentum besonders wertvoll ist (insbesondere wenn es auch noch schwarze Zahlen schreibt), selbiges verscherbelt. Die öffentliche Not wird hierdurch noch vergrößert. Konservative Politiker behaupten hier demagogisch, man könnte mit dem Erlös ja das Haushaltsloch stopfen, welches in der Regel von genau diesen Demagogen verursacht wurde. Dabei fließt in Wirklichkeit der Profit aus dem Betrieb nun in private Taschen, während die korrupten Politiker neues frisches Geld zum Verschenken haben.
 

In der Bundesrepublik gibt es bezüglich der Mitsprache der Bevölkerung bei „Privatisierungen“ ein Problem. Aufgrund eines alten Bundesverfassungsgerichtsurteils ist es dem gemeinen Volke nicht erlaubt, bei den Fragen, die den Haushalt betreffen, mitzuentscheiden. Das bedeutet, daß wenn ein Volksentscheid gegen eine „Privatisierung“ stattfindet und es beispielsweise der CDU gelingt, diese (mit der simplen Begründung man wolle ja den Haushalt sanieren) als Haushaltsangelegenheit darzustellen, selbiger verfassungswidrig wird und nicht stattfinden kann oder ungültig wird. Abgesehen davon, daß ein Volk, welches in Haushaltsangelegenheiten nicht mitbestimmen darf, nicht demokratisch verfaßt ist, wird der lokalen Bevölkerung mit diesem billigen, technischen Trick die Mitbestimmung über elementare Fragen der Daseinsvorsorge (Warmwasser, Strom, Müll- , Abwasserentsorgung durch eigene Stadtwerke, öffentlicher Nahverkehr, kommunale Wohnungsversorgung u .v. m.) aus der Hand gewunden.

Eine Kommune, die nichts mehr besitzt, hat außer der Verwaltung des öffentlichen Elends nicht mehr viel zu entscheiden.
 

Privatisierung ist Raub an öffentlichem Eigentum!

 
 
Spezialfälle

Marktschaffung durch Sabotage

„Privatisierung“ kann auch dazu dienen, unliebsame Konkurrenz durch Sabotage auszuschalten. Z. B. im Falle der Deutschen Bahn und besonders massenhaft bei der Vereinigung und Wirtschaftsabwicklung durch die Treuhandanstalt war das der Fall.
 

Public-Private Partnership (Öffentlich-private Partnerschaft)

Diese Form der „Privatisierung“ „privatisiert“ nur einen Teil des jeweiligen Geschäftes. Z. B. den Bau eines Gebäudes, das Betreiben eines Gefängnisses oder ähnliches. Dabei wird in der Regel die öffentliche Funktion durch den Staat aufgegeben und an den profitorientierten privaten „Partner“ übertragen. (»Was ist schlimm an Public-private Partnership?« (unfertig)
 

Privatisierte Verantwortung

Sind ganze Industriezweige privat, so ist auch deren gesamte Verantwortung in der Hand des partikularistisch interessierten Kommerz. Alle öffentlichen Aspekte dieser Industriezweige sind dem Kapitalverwertungsinteresse unterworfen.

Pharmazie
Besonders gravierend sind korrupte Gutachter in der Pharmazie. Insbesondere im Vorfeld der Zulassung von Arzneimitteln ist Korruption durch die Fälschung von Studien heute der Normalfall. Schlechte, unwirksame oder sogar gefährliche Pharmazeutika sind heute zugelassen. Eine Positivliste wird politisch sabotiert. Einer Verbesserung der Qualität steht so ein Heer korrupter Gutachter im Wege. Die Privatisierung der Forschungsfinanzierung wird dabei vorangetrieben. Das Beispiel Pharmazie zeigt, daß es sich um ein allgemeineres Phänomen handelt. »Was ist schlimm an privater Pharmaindustrie?«
[Evariste]
 

 

Übersicht über Artikel über „Privatisierung“

Dieser Artikel ist der Pilotartikel einer ganzen Serie von Artikeln über „Privatisierung“ die man in der Themenkategorie Privatisierung findet.
 

Zielgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . Linkslevel
.. . . Artikel, Links
 

Rechte Konservative . . . . . . . . . . . . . . . . . -3

. . . . »Was ist schlimm an privaten Armeen?« (geplant)
. . . . »Was ist schlimm an privaten Trinkwasserquellen?« (geplant)
 

Asozialisierte Mitläufer . . . . . . . . . . . . . . . . -2
 
. . . . »Was ist schlimm an privater Rüstungsindustrie?«
. . . . »Was ist schlimm an privater Pharmaindustrie?«
. . . . »Was ist schlimm an privaten Krankenhäusern?« (geplant)
 

Nichtlinke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .-1
 
. . . . »Was ist schlimm an privaten Krankenkassen?«
. . . . . . . . »Was ist schlimm an “Wettbewerb” zwischen Krankenkassen?«
. . . . »Was ist schlimm an geistigem Eigentum
 

Indifferente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 0
 
. . . . »Was ist schlimm an privatem Nahverkehr?« (dieser Artikel)
. . . . »Was ist schlimm an privater Förderung energiehaltiger Rohstoffe
. . . . »Die Privatisierung des Weltwissens«
. . . . »Was ist schlimm an privaten Suchmaschinen?« (unfertig)
. . . . Was ist schlimm an privaten kommunalen Betrieben, wie Trink-, Abwasser, Müllentsorungs,- Warmwasser und lokale Energieversorgungsunternehmen? (dieser Artikel)
 

Anfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
 
. . . . »Was ist schlimm an privater Eisenbahn? – Noch immer ist die Bahn privat!«
. . . . »Warum gibt es Privatisierung?«
. . . . »Was ist schlimm an privater Energieversorgung?« (geplant)
. . . . »Was ist schlimm an privater Post?«
. . . . »Was ist schlimm an privaten Versicherungen?« (fertig)
. . . . »Was ist schlimm am Urheberrecht?« (geplant)
 

Fortgeschrittene . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
 
. . . . »Was ist schlimm an privater Wohnraumbewirtschaftung?« (geplant)
. . . . »Was ist schlimm an privaten kommunalen Gesundheitsversorgungseinrichtungen?« (geplant)
. . . . »Was ist schlimm am Bologna-Prozeß?« (Entwickeln sich private Hochschulen ?)
. . . . »Was ist schlimm an privater Agrarwirtschaft
. . . . »Was ist schlimm an privater (privat finanzierter) Forschung ( geplant )
. . . . »Was ist schlimm an privatem Grund und Boden?« (geplant)
 

Linke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
 
. . . . »Was ist schlimm an privaten Banken?« (geplant)
. . . . »Was ist schlimm an privatem Wohnraum?« (geplant)
. . . . »Was ist schlimm an privater Rohstoffförderung?« (geplant)
. . . . »Was ist schlimm am Patentrecht?«
. . . . »Was ist schlimm an privaten Industriebetrieben?« (geplant)
. . . . »Was ist schlimm an privater Produktion von Konsumgütern?« (in Arbeit)
. . . . »Was ist schlimm an Privateigentum an Produktionsmitteln?« (unfertig)
 

Sozialisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
 
. . . . »Was ist schlimm an privaten Hilfsorganisationen?« (geplant)
. . . . »Was ist schlimm an privaten Industriebetrieben?« (geplant)
. . . . »Warum darf es im Sozialismus kein genossenschaftliches Eigentum geben?«
 

[Evariste]

Von Evariste

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