Di. Mrz 19th, 2024

Wörter: 1012; Linkslevel: ±0; Indifferente
Wissenschaftler, wenn sie als solche arbeiten und nicht gerade in der Industrie an geheimen Projekten forschen oder in der Entwicklung tätig sind, müssen veröffentlichen. Das bedeutet, daß ihre in der Regel öffentlichen Geldgeber von ihnen verlangen, daß sie in anerkannten Fachzeitschriften, welche über ein Peer-Review-System verfügen, regelmäßig Artikel veröffentlichen, die aus ihrer finanzierten Arbeit entspringen. Das hat für die Geldgeber den „Vorteil“, daß die Qualitätskontrolle über die geleistete Arbeit ausgelagert ist. (Welcher Unternehmer würde die Qualitätskontrolle, für eine Leistung die er bezahlt, auslagern?) Ansonsten hat es auch nur (weitere) Nachteile!

Das Hauptproblem, das hier besprochen wird, liegt darin, daß die Journale, bei denen die Arbeiten eingereicht werden, privater Natur – also nicht öffentlich gefördert — jedenfalls allgemein kostenpflichtig sind. Der Grund, sich für diese Journale zu entscheiden, liegt in ihrer Popularität begründet, welche auf den so genannten Impact-Faktor des jeweiligen Journals zurückzuführen ist. Die Journale mit den besten Impact-Faktoren sind rein Profit-orientiert. Das liegt daran, daß die Artikel nach der Annahme mit allen Rechten in den Besitz der Journale übergehen und die Journale ihren Platz nur mit den bestmöglichen Artikeln füllen um so den größten Gewinn zu erzielen. Soweit die Theorie. Darin liegt jedoch bereits der Haken, welcher darin besteht, daß die Ergebnisse öffentlich geförderter Forschung am Ende in privatem Besitz sind. Kurios daran ist, daß die öffentlichen Geldgeber aller Länder – zumindest in den Industriestaaten das sogar verlangen. Von dieser Politik wurde bisher trotz leerer öffentlicher Kassen nicht abgerückt. In den letzten 15 Jahren mußten europäische Universitäten, einen beträchtlichen Teil der bis dahin abonnierten Fachzeitschriften stornieren um Geld zu sparen. Das führt dazu, daß Artikel von weiter her geordert werden müssen. Für die Nutzung von Einzelartikeln ist dieses Verfahren teurer. Für Personen ohne einen pauschalen Bibliothekszugang zu den gängigen Zeitschriften des Forschungsgebietes ist Forschung so nicht mehr möglich. Besonders absurd erscheint das Verfahren, wenn man bedenkt, daß die Artikel, welche von den Wissenschaftlern eingereicht werden, bereits fertig gelayoutet sind und die Referees in der Regel noch andere Fachkollegen an öffentlichen Einrichtungen in aller Welt, welche ebenfalls von öffentlichen Geldern leben, in Anspruch nehmen – und noch absurder, wenn man bedenkt, daß die Geldgeber – beispielsweise Drittmittelgeber, wenn sie die von Ihnen geförderte Forschung sehen – also überprüfen wollen, ebenfalls über einen kostenpflichtigen Zugang zu den Journalen verfügen müssen.

Auch viele in Unternehmen erforschte Projekte sind öffentlich gefördert worden. Insgesamt leben die Journale also fast vollständig von den Forschungsgeldern der Industriestaaten, aber auch jener, die in armen Ländern aufgebracht werden.
 

Ganz besonders fatal aber ist das ganze, wenn Forscher in armen Ländern Journale brauchen, an die sie nicht herankommen, weil sie entweder keinen Zugang haben, oder nicht genug Geld, um Artikel zu kaufen, von denen sie nicht genau wissen, ob sie sie brauchen, oder gar nicht erst wissen, welche Artikel es überhaupt auf diesem Gebiet gibt, weil die unfreie internationale Forschung in ihrem armen Lande nicht zur Verfügung steht. Aus diesem Grunde hat sich eine Kopierkultur herausgebildet, über die stillschweigend hinweggesehen wird, da sie einen Teil der Forschung erst ermöglicht. Um hiervon profitieren zu können braucht man jedoch Beziehungen.

Politisch betrachtet, bedeutet diese Art der Forschungsprivatisierung, daß Forschung den Reichen vorbehalten ist. Wer arm ist, kann nicht forschen, aber auch nur begrenzt studieren.

Die meisten dieser Journale liegen – wie könnte es anders sein – in den reichen Industrieländern und in diesen wiederum hauptsächlich in den angelsächsischen Staaten. weshalb fast ausschließlich englisch publiziert wird. Auf diese Weise konzentriert sich das Monopol auf das Weltwissen ganz besonders in den USA (über 90 % auf den meisten Gebieten), dem Vereinigten Königreich, Kanada und einigen europäischen Staaten. Die in aller Welt von Steuergeldern finanzierten Forschungsergebnisse werden dort Profit-bringend gesammelt. Das ist besonders im Falle sehr armer Länder, deren Publikationen darüber hinaus selten den Kriterien entsprechen, um angenommen und publiziert zu werden, sehr ärgerlich! Ihre besten Blüten, bezahlt oder abgepreßt von den ärmsten, dargebracht mit dem größten verfügbaren Aufwand, werden abgeschnitten und archiviert – zugänglich nur für eine kleine Elite internationaler Forscher, die ihre Berechtigung zum Bildungszugang mit Finanzkraft unter Beweis stellen kann.

Die Zwänge die zu dieser Exklusivität des Weltwissens führen, sind die Konkurrenz unter Wissenschaftlern, aber auch die Tatsache, daß kein Staat es bisher für nötig gehalten hat, mit einem Teil der öffentlichen Gelder für Abhilfe zu Sorgen und eben öffentliche freie Journale mit Peer-Review-System einzurichten, sondern im Gegenteil die Veröffentlichung in eben diesen Zeitschriften verlangen.
 

Open Access

 
Ein Umdenken würde die Forschung wirklich frei, öffentlich geförderte Ergebnisse frei verfügbar machen und darüber hinaus auch noch Arbeitsplätze schaffen.

In letzter Zeit sind allerdings elektronische Zeitschriften eingerichtete worden, welche aufgrund ihrer Neuheit noch nicht immer den höchsten Impact Faktor haben. Das kann sich allerdings ändern. Grundbaustein wäre allerdings ein öffentlich gefördertes Peer-Review-System, und die staatliche Übernahme von Veröffentlichungskosten.

Ohne diese Übernahme sind Netzpublikationen bereits möglich. Entscheidend sind allerdings die noch wenigen frei zugänglichen Zeitschriften, welche man zur freien Veröffentlichung in seinem Fachgebiet finden können muß. Einzelne können also mittlerweile anders entscheiden, jedoch sind das auf die ganze Erde bezogen, sehr wenige. Die meisten Forscher werden aus den genannten Gründen zur Zeit noch ein etabliertes Journal bevorzugen. Ein kompletter Bruch mit der unsäglichen Praxis, welche zu einer privaten Aneignung des Weltwissen führt, ist noch nicht eingeleitet.
Daher gibt es die Open-Access-Bewegung, welche die freie Verfügbarkeit von wissenschaftlichen Veröffentlichungen anstrebt. Schrittweise sollen hier nicht nur Preisbarrieren, sondern auch Zugangsbarrieren fallen.
Das Directory of Open Access Journals ist eine Liste von Zeitschriften, die in diesem Sinne bereits frei verfügbar sind. (www.doaj.org)
siehe auch:
http://de.wikipedia.org/wiki/Open_Access
Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen
http://oa.mpg.de/openaccess-berlin/Berliner_Erklaerung_dt_Version_07-2006.pdf
Budapest Open Access Initiative
http://www.soros.org/openaccess/read.shtml

Ganz nebenbei sei erwähnt, daß auch der weitaus größte Teil der sogenannten privaten Forschung nicht ohne öffentliche Forschungsgelder auskommen könnte und ebenfalls zu einer privaten Aneignung öffentlich geförderter Forschungsergebnisse führt. Einige Unternehmen (z. B. Siemens in Berlin) erhalten in einigen Jahren sogar mehr Forschungsförderung, als sie Steuern zahlen.
 
Dieser Artikel ist schon drei Jahre alt, wurde ursprünglich für „Buntschuh“ geschrieben, dann auf dkp-greifswald.de/de/ gepostet.

Nachtrag November 2012:

Mittlerweile gibt es gewisse Möglichkeiten Arbeiten unter Open Access zu veröffentlichen. Was ungelöst ist, ist die Tatsache, daß die Verlage, die auf jeder Menge wissenschaftlicher Literatur sitzen, davon leben müssen und diesen Schatz nicht herausrücken wollen.

[Evariste]
 

Von Evariste

Schreibe einen Kommentar