Di. Mrz 19th, 2024

Wörter: 1709; Linkslevel: +1 Echte Sozialdemokraten
Eigentlich muß der Artikel „Was ist der Unterschied zwischen Faschisten und Amokläufern“ heißen, denn der Nazi ist ein sehr spezieller Faschist1. Gleichwohl wird “Nazi” häufig synonym zu “Faschist” benutzt. Faschist ist hier die korrekte Vokabel.
In »Was ist schlimm an Sicherheitsverwahrung?« (Unterkapitel Einspruch) wurden Sexualstraftäter mit rechtsextremen Straftätern verglichen. Hier vergleichen wir Faschisten mit Amokläufern.
Was haben also Faschisten und Amokläufer gemein?

 

Gemeinsamkeiten

Das Leben des Faschisten und das des Amokläufers laufen darauf hinaus, Menschen zu töten. Ihr gesamtes Leben ist auf Destruktion ausgerichtet. Sie sind im eigentlichen Sinne Nihilisten. Sowohl Nazis als auch Faschisten hängen nicht (sehr) an ihrem Leben. Der Amokläufer möchte sterben und der Faschist findet Menschenleben allgemein nicht besonders wertvoll.
Beide Sorten von Nihilisten benutzen Waffen und bereiten sich lange Zeit auf ihre Benutzung vor. Beide handeln aus Schmerz.

 

Unterschiede

Trotzdem sind Faschisten und Amokläufer sehr verschieden.

 

Faschisten

Der Faschist liebt die Gewalt und verachtet Zivilisation und Humanismus. er möchte den Menschen zum Tier machen. Gewalt Tod und Strafe bilden seinen Lebensinhalt. Um diesen Lebensinhalt zu verwirklichen ist er bereit die hahnebüchensten Begründungen heranzuziehen. Alle faschistischen Ideologien sind daher prinzipiell unorigenell, unoriginär und eklektisch zusammenkopiert. Genau das charakterisiert auch den sogenannten Nationalsozialismus, welcher als Theorie überhaupt nicht existiert. Der Nazi ist also ein Gewaltmensch. Er hat Liebe, Achtung und Respekt entweder nicht erlernt oder verachten gelernt. Die psychologische Ausstattung von Nazis ist unterschiedlich. Sehr häufig ist die Scham und die Verachtung für Menschliches, Friedliches, für Weibliches oder für Schwaches. Dabei ist der Nazi selbst schwach – nämlich im Geiste und vor allem in der Seele. Die meisten Nazis wurden im Kindes- und Kleinkindalter emotional depriviert. Beziehungen zu anderen Menschen fallen ihnen schwer. Die Umwelt erscheint feindlich. Probleme möchte der Nazi mit Gewalt lösen. Eine solidaritätsfeindliche Ideologie, wie sie z. B. auch von nichtfaschistischen Bürgerlichen vertreten wird, paßt intellektuell genau auf die seelischen Bedürfnisse des Nazis und festigt dessen destruktives Weltbild.
Scham empfindet der Nazi nicht nur wegen Menschlichkeit oder Weichheit vor seinen Kameraden. Wird ihm seine Asozialität in Gegenwart anderer Menschen als Manko bewußt, wird er gewalttätig um dieses Gefühl zu betäuben. Die eigene Ideologie erzeugt einen Minderwertigkeitskomplex, dem er nur durch Unterwerfung von Gegnern ausweichen kann.

 

Amokläufer

Der Amokläufer ist ähnlich wie der Nazi von seinen Eltern emotional depriviert worden und wächst bildungsfern auf. Seine Umgebung ist faschistoid genug, ihn zum “Looser” zu machen und zum Amokläufer zu erziehen. Der Amokläufer wurde hundertfach gedemütigt und frißt dese Demut in sich hinein. Da er niemanden hat, von dem er Liebe bekommt, wächst der Haß, welchen er schließlich gegen die gesamte Welt richtet. Der Amokläufer ist selten, weil es in der Regel Möglichkeiten der konstruktiven Verarbeitung oder wenigstens des Trostes gibt. Der Amokläufer hat niemals Trost gefunden. Er macht deswegen mit seiner Umwelt ausschließlich negative Erfahrungen. Positive Erfahrungen glaubt er nicht mehr. Er lernt die Welt als ihm feindlich gegenüberstehend zu betrachten. Diese negative Erfahrung läßt ihn zunächst schmerzlich, von der Gesellschaft, der Menschheit und der Welt Abschied nehmen. Der Wunsch zum Tod ist bereits ausgeprägt, der Plan zum Massenmord entsteht aus dem Wunsch das Schlachtfeld – den Ort der Demütigung – einmal als Sieger zu verlassen, denn der Amokläufer weiß, das die anderen etwas haben, was er selbst nicht hat und von dem er (teils zurecht) glaubt, daß es ihm verwehrt wird.
Scham empfindet auch der Amokläufer und ähnlich wie beim Nazi entsteht in ihm das Bedürfnis die Schmach durch Gewalt auszulöschen. Dabei ist er allerdings (im Unterschied zum Nazi) gegen seinen Willen ausgegrenzt.

 

Extrakt weiterer Gemeinsamkeiten

Wie erwähnt, empfinden beide Sorten von Nihilisten ihre Umwelt als feindlich. Beide Sorten von Nihilisten können – logischer Weise – nicht konstruktiv denken und die Ursache ihres Problems daher nicht erkennen. Der Faschismus ist wie der Amoklauf ein kapitalistisches Phänomen. Es beruht auf der (akzeptierten) Ungleichheit und der Herabwürdigung in der Gesellschaft.

 

Vergleich

Im Gegensatz zum Nazi ist der Amokläufer ein Opfer der Verachtung, der Nazi — ein Täter. Weil der Amokläufer jedoch nicht gelernt hat, Probleme konstruktiv zu lösen und auch zu schwach dafür ist, wird er kein Kämpfer für Gerechtigkeit, sondern folgt der Logik der Ausgrenzung, der er der Dauer und Perspektivlosigkeit wegen, als existenzielle Bedrohung erfahren hat. Der Nazi hingegen ist stolz auf seine Destruktivität – selbst wenn sie ihm Schmerzen bereitet.
Für beide Sorten von Nihilisten sind die Scham sowie Ansehens/Machtgewinn/-verlust bedeutende Triebkräfte. Dabei will der Nazi alle unterwerfen und den Gegner vernichten und der Amokläufer seine Gegner auslöschen.
Während der Faschist auf seine Barbarei stolz ist, leidet der Amokläufer unter der Barbarei von Ausgrenzung und Zurücksetzung. Der Amokläufer beginnt die Barbarei zu spiegeln, bleibt jedoch zunächst passiv. Er löst sich nicht ideologisch von der Menschlichkeit, wie der Faschist das tut. Daher kann er barbarische Taten hinterher auch nicht vertreten, wie der Nazi das tut.

 

Extrakt der Unterschiede

Verachtung der eigenen Person
Der Faschist lernt mit dem Menschlichen auch sich selbst zu verachtenden. Den Schmerz daran versucht er in seiner Kindheit zu begraben.
Der Amokläufer erfährt die Verachtung von seiner Umgebung. Er wird ohne Rückhalt verletzt. Lange noch besitzt er Sehnsucht nach Menschlichkeit.
 

Ziele
Der Nazi strebt die Mehrheit an und will selbst verletzen. Der Amokläufer hat als Ziel seine nächste Umgebung, vor der er sich als Mensch (immer noch) schämt. Sein Ziel ist nicht die Erziehung, sondern die Auslöschung der Scham durch Auslöschung derer die ihn zurückgesetzt, beschämt, verleumdet und verletzt haben. Das Ziel des Nazis ist das, einen abstrakten (extra zu diesem Zwecke) postulierten Feind auszulöschen. Dieser Feind muß keine reale Bedrohung darstellen und den Nazi auch nicht beleidigt haben. Dem Nazi reicht eine eingebildete Bedrohung. Die Wut des Nazi kann sich daher auch gegen völlig wehrlose Menschen richten. Der Nazi handelt aus dem geheimen Bedürfnis zu Gewalt, die er vor sich selbst mit der Minderwertigkeit, Bosheit oder Verschlagenheit seiner Ziele begründet. Der Nazi handelt daher organisiert. Der Amokläufer hat in der Regel nicht die Möglichkeit sich zu organisieren. zunächst, weil er zu selten ist, weil sein Weltbild Verbündete meist ausschließt und weil er sterben will.
Der Amokläufer wendet sich natürlicher Weise gegen die diziplingebietende Sittsamkeit, das Bildungssystem und seine als unterdrückerisch empfundene Umgebung, ihre Repräsentanten und Menschen, die ihn (un- oder wissentlich) verletzt haben. Der Faschist wendet sich gegen die Humanität, gegen Solidarität, gegen Gleichheit, gegen alles Schwache und hat Standardfeinde, sowie geschmacksspezifische Lieblingsfeinde. Zu den Standardfeinden gehören einige traditionelle als schwach angesehene soziale Gruppen, aber immer auch Linke aller Couleur.
 

Rechtfertigung und Öffentlichkeit
Der Amokläufer, weil er unsozial agiert, benötigt keine rechtfertigende Ideologie. Da er was er tut, nicht vertreten kann, wäre ein dem Feind in die Hände fallen, eine Niederlage, die ihm weitere Scham und Verachtung eintragen würde. Der Nazi, obgleich er gern Gewalt anwendet und zum Handeln keine Rechtfertigung braucht, organisiert sich und kämpft für die Idee des Unmenschlichen. Für diese nimmt er jedoch bedenkenlos auch menschliche Begründungen in Anspruch. Der Amokläufer ist kein Öffentlichkeitsarbeiter. Er muß sterben, weil er seine Rache nicht vertreten kann. Der Nazi kann sterben. Für den Nazi ist der Kampf das Ziel, für den Amokläufer – der Tod.
 

Scham
Beim Nazi kann Scham vor anderen (Nichtnazis) auftreten. Der Nazi will sie jedoch nicht wahrhaben.
Im Gegensatz dazu ist der Amokläufer einer jahrelangen von ihm selbst empfundenen Herabwürdigung ausgesetzt. Die Minderwertigkeit wird dabei so stark empfunden, daß das Nicht-wahrhaben-wollen nicht auftritt.
 

Brutalität
Der Faschist ist ein Mörder im Geiste und quält auch schon mal Opfer um seine Ziele zu erreichen. Der verzweifelte Amokläufer tut nichts, wovon er glaubt, daß es seinen Schmerz vergrößern könnte. Der Schmerz treibt ihn an und er beläßt es bei der schnellen Auslöschung derer, die seinem Selbstwertgefühl im Wege stehen könnten oder dies’ in der Vergangenheit taten.

 

Verwandte Erscheinungen

Eine abgesehen von der ungeheuren Brutalität nicht genau aber in etwa dazwischen liegende Erscheinung ist der Satanismus. Wir betrachten hier nur den, der in modernen Industriestaaten auftritt. Der Satanismus findet seine Anhänger unter den Schulverweigerern, die Ihre Eltern, Ihre Lehrer und die Gesellschaft um sie herum von der sie sich zu Disziplin und Kenntniserwerb genötigt fühlen, möglichst schlimm vor den Kopf stoßen wollen. Alle Moral wollen sie verwerfen und bewegen sich dabei erkennbar in eben jenem christlich geprägten Moralsystem, das es nicht vermocht hat, sie zu erziehen sondern eine starke Gegenwehr auslöste. Da der Satanist mangels Bildung und Phantasie diesem Denkschema nicht entkommen kann, dreht er es einfach nur um. Der Satanist fühlt sich nicht ernst genommen und will auftrumpfen. Dazu organisiert er sich. Ersteres macht ihn mit dem Amokläufer, das zweite mit dem Faschisten verwand. Gemeinsam mit beiden hat er die Menschenfeindlichkeit. Der Satanist hat die Perspektive geistig zu verfallen. Die Ablehnung der allgemeinen Moral begründet seine Verwandtschaft zum Faschismus, die Motivationslage zu seiner geistigen Herkunft und seiner Umgebung begründet die Verwandtschaft zum Amokläufer. Satanismus ist im eigentlichen Sinne nur ein negativer Christianismus – also vom Standpunkt des Atheisten – geistig dasselbe. Alle christlichen Vorstellungen wurden einfach in ihr Gegenteil gewendet.

 

Ursachen

Alle diese Erscheinungen sind kapitalistischen Ursprungs. Sie liegen in der Ungleichheit und ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz begründet. Hierdurch entstehen massenhaft Asozialität und Ressentiments. (→ »Was ist für Linke asozial?«) Werden die Ressentiments ausgelebt, entsteht noch mehr Asozialität. (→ »Was ist ein Ressentiment? – Wie funktioniert ein Ressentiment?«)
In den sozialistischen Ländern sind alle diese Erscheinungen nahezu unbekannt oder nur als Erscheinungen der kapitalistischen Welt bekannt gewesen.

 

Folgen der Menschenverachtung

Die Verachtung ist eine anerzogene Verhaltensweise ihre Akzeptanz bedeutet Akzeptanz von Opfern. Wer Täter wird, ist meist schon mal Opfer gewesen. Solange die Verachtung für andere Menschen fest zum Denkmuster von Gewalttätern gehören, sind Solidarität und Verantwortung für diese Menschen für die Gewalttäter unvorstellbar. Durch lange Dauer oder ideologische Festigung wird ein Zustand erreicht, in dem die Persönlichkeit Schaden nimmt. Wenn dann keine bewußte Abkehr von Haß und Menschenverachtung stattfinden, können die Täter nie richtig erwachsen werden. Täter und Opfer nehmen daher Schaden.

 

Fazit

Obwohl beide Tätersorten strafen wollen, handelt der Amokläufer aus Verzweiflung, der Nazi aber nur aus Menschenverachtung.
Obwohl also ein Amokläufer meistens als finaler Mehrfach- oder gar Massenmörder in Erscheinung tritt, ist der Nazi mit einem Rest von Risikoempfinden ein schlimmerer Mensch. Der Nazi ist schuldiger und weil er zahlreicher ist, bei weitem die gefährlichere Erscheinung.
Beide sind Phänomene asozialer Konkurrenzgesellschaften.
[Evariste]
 

Von Evariste

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