Di. Mrz 19th, 2024
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Moral führt heute niemand mehr im Munde. In Zeiten, in denen Altruismus zynisch als „Gutmenschentum“ und Kommunismus als Kommunismus gegeißelt werden kann, wird sie politisch kaum noch gebraucht. Rückblickend widmen wir diesem jahrtausendelang scharfen Instrument herrschaftlicher Unterdrückung noch eine kleine Zusammenfassung und widmen uns der Frage, ob Moral vollständig verschwindet.

 

Was ist Moral?

Definition

Moral ist eine von der Gesellschaft erworbene Norm1 menschlicher Verhaltenswertschätzung, die sich nach Epochen und Kulturen ändert.

 
Erklärung

Moral erlaubt die Regulation menschlichen Verhaltens. Moral wird deswegen am stärksten von der jeweiligen Herrschaft beeinflußt. Eine stabile Gesellschaft teilt die Moralvorstellungen der herrschenden Klasse. Moral ist daher (wie Religion) auch ein Bewußtseinsmonitor und ein Instrument der Unterdrückung.
Moral ist janusköpfig. Sie ist gleichzeitig Krücke und Fortschrittshemmnis.

Die Beteiligung der Frau am öffentlichen Leben oder die Akzeptanz von Homosexualität, zeigen, daß Moral in verschiedenen Kulturkreisen offensichtlich sehr unterschiedlich verstanden werden kann. Daher muß bei der Anwendung der Moral eigentlich immer die Art der jeweiligen Moral benannt werden. (christliche, westliche, Mafia-, Räuber-, … Moral) Wir wollen hier jedoch nicht der Relativierung das Wort reden. Wir Kommunisten, die wir uns für die fortschrittlichsten Linken halten, gehen davon aus, daß Fortschritt – hier der der Moral auf Information beruht, die gewonnen wurde. roter Faden Wir sehen dies allein schon durch einen Blick in die Geschichte bewiesen, in der die Bildung und das Verständnis vom Menschen den Humanismus und die Gleichheit hervorgerufen, in der kausales Denken den religiösen Begriff der Schuld zurückgedrängt haben, in der Folter und Strafe durch Sachlichkeitsorientierung und Besserungsabsicht verdrängt werden.
Wir behaupten, daß die praktische2 Durchsetzung der Menschenrechte auf einem Fortschritt der öffentlichen Moral beruht.

 

Das Ende der öffentlichen Moral – Der Anfang der neuen Privatmoral?
grüner Faden
Die Medienwelt und die Selektion des Spektakulären bringen eine Vielfalt an moralischen Ansichten in die Welt, die so etwas, wie eine öffentliche Moral ad absurdum führen. Daher fällt Moral als Herrschaftsinstrument praktisch aus. Jeder Künstler, der besonders viel auf sich hält, wird, wenn er (noch) ein Tabu findet, dieses ohne sonstigen Grund sofort brechen, weil nur durch den Bruch des Tabus, seine Entdeckung zweifelsfrei belegt werden kann. Demnach gibt es mittlerweile kaum noch Tabus, die man brechen könnte. (selbst das Völkerrecht löst sich in Luft auf, obwohl man diejenigen, die es brechen, genauso wenig, wie diejenigen, die vor ein paar Jahren Folter als Mittel3 ins Gespräch bringen wollten, keineswegs als Künstler bezeichnen kann, sondern sie lediglich und ausgerechnet Vertreter eben des gerade herrschenden Rechtssystems sind.
Die Vielfalt dessen, was man sehen kann, scheint eine neue Abwesenheit von Moral zu sein. Vor einigen Jahren versuchten sogar Pädophile aus Holland, Sex mit Minderjährigen („wenn sie es wollten“) politisch zu vertreten.
Tatsächlich hat sich die Toleranz gegenüber vielen Ansichten vergrößert. Stirbt also die öffentliche Moral, indem jeder seine Auslegung findet?
Moral, mit Impetus vorgetragen, ist nervig. Moralisieren auf seichtem Niveau unterhaltsam. Mit Impetus vorgetragene Moral kann Widerstand erzeugen, Moralisieren auf seichtem Niveau kann zur Verhetzung4 benutzt werden.

Die Unterhaltsamkeit ist heute (in der Marktwirtschaf) der Maßstab auch für die Moral. Wer Moral möchte, muß sie unterhaltsam, originell oder gar spektakulär darbieten. Das vermag das Herrschaftssystem nicht und die Kirche schon gar nicht. Da im Kapitalismus Partikularinteresse vorherrscht, zerfällt die öffentliche Moral. grüner Faden
Privatmoral bedeutet jedoch praktisch Morallosigkeit.
Ende des Einschubs

Die Frage ist also, ob die alte herrschende Moral abgelöst wird oder sich auflöst. Roter Faden

 

Ist eine Ablösung in Sicht?

Wir sind der Ansicht, daß die alte überkommene Moral abgelöst werden muß.
Weiter unten haben bei den Moralformen angedeutet, wie wir Kommunisten uns einen Moralfortschritt vorstellen – als

Übergang von der devoten Sittsamkeit zu verantwortungsbewußtem Denken



Warum?
In den letzten zweihundert Jahren haben sich die Vorstellung über den Wert des Einzelindividuums stark geändert. Vorher hatten nur Adlige Bedeutung. Erst dadurch (siehe »Erzeugende des politischen Spektrums« (ELL = +4)) ist überhaupt das politisch Linke entstanden. Die Gleichheit ist also eine geschichtlich neue Idee und bis heute wird Widerstand gegen sie geleistet.

 
Zwei Formen der Moral

Moral kann die zwei extrem gegensätzlichen Formen Sittsamkeit/Anstand und Verantwortungsbewußtsein annehmen.

Moral Bewußte Aufspaltung in die extremen Gegensätze / \ / \ / \ / \ / \ alt neu Sittsamkeit/Anstand Verantwortung

 

Diese gegensätzlichen Formen machen den Unterschied 
  • psychologisch zwischen Unterwerfung und Befreiung,
  • gesellschaftlich zwischen asozial und sozial,
  • entwicklungspolitisch zwischen Konservatismus und Fortschritt,
  • politisch zwischen rechts und links
aus.


Die Moral einer Gesellschaft liegt zwischen beiden sich ausschließenden Extremen. Die bisherige dem Dogma der Sittsamkeit folgende Moral ist unbeweglich und orientiert sich an den Vorstellungen – also den Interessen – der Herrschaft. Ein Ablösung durch das Verantwortungsprinzip bricht mit der Exklusivität herrschaftlicher Deutungshoheit. Das Verantwortungsprinzip geht dabei weit über die, moderner bürgerlicher Vorstellungen die noch durch Klassendünkel und Statusbegriffe geprägt sind, hinaus. Das Wort „An-Stand“ enthält noch den Klassendünkel seiner Entstehung. Das Wort Sittsamkeit unterstreicht die Artigkeit kritiklosen Lebens.) Selbst Intelligenz ist hier als Kriterium nicht mehr ausreichend. Das Verantwortungsprinzip ist der abstrakte Grenzwert des Erwachsenenprinzips. Denn erwachsener werden wir das ganze (geistig aktive) Leben. Und was den Erwachsenen vom Kind unterscheidet, ist dasselbe, das den Rechtschaffenen vom Verbrecher und den Linken vom Rechten unterscheidet: die Wahrnehmung der (linken) Verantwortung.

Verantwortung verlangt jedoch Problembewußtsein und Menschlichkeit.

 

Einschränkung

Das hier als alte überkommene Form der Moral dargestellte Paar Anstand und Sittsamkeit ist allerdings eine wichtige Krücke, solange Denkfähigkeit und Verantwortungsbewußtsein nicht erlangt wurde. Das bedeutet insbesondere, daß Menschen als Kinder zunächst Anstand und Sittsamkeit beigebracht bekommen. Später kann Bewußtsein und daraus folgend Solidarität und Analysefähigkeit daraus Verantwortung formen.
Was kann man tun? – Man kann seine Kinder Solidarität und Gerechtigkeit lehren. Läßt man diese linken Zutaten weg, wird aus der Krücke Anstand/Sittsamkeit ein Schild, hinter dem sich der menschenverachtendste Extremismus verstecken kann. Gerade die allerschlimmsten Extremisten halten krampfhaft an erstarrten Formen der Tradition, der Kultur und immer auch des Militarismus fest. Wer keinen Lebensinhalt und vor allem keine Menschenliebe hat, fühlt sich moralisch dadurch überlegen, daß er mit geputzten Schuhen stramm steht.
Wer Analysefähigkeit und nicht erlangt, wird nie richtig erwachsen sein. Er wird durch Anstand und Empathie im Zaume gehalten oder gefährlich sein. [Evariste]
 
geändert am 31.05.2013,
geändert am 28.10.2013,
geändert am 06.04.2014,
 
1 Bis dahin von Herman Kant abgeschrieben.
2 Im Unterschied zur formalen Durchsetzung
3 unter (sehr konstruierten) Extrembedingungen
4 Det. Mac Llewellyn Taylor aus der Bestrafungsdramaserie »CSI: NY« hält am Ende mitunter moralisierende Reden um den Filmorgasmus der in der Überführung und Bestrafung oder Tötung des konstruiert bösen Täters liegt, zu verlängern. Das reaktionäre Publikum wird mit diesen pseudo-sachlichen Serien in seinen Ressentiments bestätigt und befriedigt und vom Nachdenken über Widerstand gegen die Unterdrückung abgehalten.

Von Evariste

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