Di. Mrz 19th, 2024

Wörter: 2864; Linkslevel: +2 Sozialdemokratisierte Linke

In dem Artikel »Was ist Sozialdemokratismus?« wurde Inhalt und prinzipieller Opportunismus der sozialdemokratischen Idee dargestellt. Hier wird dargestellt, wie und warum selbst diese opportunistische Idee verraten wurde.

 

Kurz

Die (echte) Sozialdemokratie möchte den Kapitalismus verbessern ohne sich von der Marktwirtschaft zu verabschieden. Die falsche Sozialdemokratie hat es (längst) aufgegeben, den Kapitalismus zu verbessern, nutzt jedoch (noch) vielfältige linke rhetorische Versatzstücke im Wahlkampf.

 

Abgrenzung unterschiedlicher Organisationen

In »Was ist falsche Sozialdemokratie? (±0)« wurden bereits falsche Sozialdemokraten aufgelistet.
Zur Klarheit werden hier Abgrenzungen zu andern linken Bewegungen vorgenommen. Das bedeutet, daß relevante linke Organisationen, echte Sozialdemokraten und falsche Sozialdemokraten – das heißt, Organisationen, die behaupten, sozialdemokratisch zu sein oder noch den Namen „sozialdemokratisch“ oder „sozialistisch“ tragen, vergleichsweise aufgeführt werden. Echt kommunistische und bürgerliche Parteien sind weggelassen.



Das „sozialdemokratische“ Spektrum von +4 bis -3,5 utS

                                       ←   links  ←       →  rechts →
 |  '  |  '  | ' | ' | '|  |  |  |  |  |  | | | | | | | | | | | | | | | | | |||||
       |         '      |     '     |     '   |   '   |   '   |   '   |   '  | '
ELL   +4                3          +2        +1       0      -1      -2     -3

Land
      allgemeine Linke,        Sozialdemokraten,        falsche Sozialdemokraten
       /            \                  |                         /      \
Sozialisten,    echte Linke,      Reformisten               gemäßigt,   neoliberal
	
BRD
Partei die Linke  Partei die Linke  Partei die Linke          –           SPD

Venezuela
MAS                –                   –                      AD

Italien            
PdCI               PDS →              DS →                    PS           Nuovo PSI


Frankreich
PCF, GU            NPA →              PG                      PG           PS

Indien
 –                  –                  SP, BSP →              –           – 

Mexico
 –                  –                  PT                     MC, PRD     PRI 

Österreich
KI, PdA, KPÖ →      –                  –                      –           SPÖ

Dänemark
Rød+Grøn            —                  —              SF      SF           S

Legende:
bedeutet in der Tabelle, daß die entsprechende Partei eigentlich schon mit der nächsten Gruppe überlappt.
bedeutet, daß es entweder keine bedeutende Partei an dieser Stelle des Spektrums gibt, oder daß sie selbst nicht behaupten, „sozialistisch“ oder „sozialdemokratisch“ zu sein.
Die obere Skala bezieht sich nur auf die Bezeichnungen der Spalten. Ansonsten sind die Parteien (relativ ungenau) in die Spalten eingetragen. In vielen Ländern wandelt sich das Parteienspektrum sehr schnell, so daß eine genaue Eintragung sinnlos erscheint.

 

Warum der Sozialdemokratismus scheitern muß

Der Sozialdemokratismus will etwas, das das System nicht zulassen kann.

Sozialisten und Sozialdemokraten
Die zentrale Kritik von Sozialisten am Kapitalismus betrifft das Privateigentum an Produktionsmitteln. Das Privateigentum an Produktionsmitteln und das mit ihm verknüpfte Recht bilden den Trick – das Prinzip, das es dem Kapitalisten erlaubt, sich den Mehrwert der Produktion anzueignen und über die Eröffnung und Schließung von Betrieben, sowie über Einstellungen und Entlassungen zu entscheiden – zusammengefaßt – über diese Produktionsmittel in Gänze zu verfügen. Dieses Prinzip und seine existenziell mit ihm verbundene bewaffnete Durchsetzung ermöglichen die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Diese Tatsache wird von den Sozialdemokratisten ignoriert oder geleugnet.

Warum beutet der Kapitalist aus?
Die simple Antwort, „weil er besser leben will, als die Ausgebeuteten!“ ist zwar richtig, trifft jedoch nur einen Teil der Wahrheit. Der Kapitalist steht in Konkurrenz. Diese Konkurrenz zwingt ihn, seinen Betrieb zu ökonomisieren, Produktion und Absatz ständig zu optimieren. Wenn es geht, wird auch die Produktpalette und der Rohstoffeinkauf soweit möglich optimiert. Hier ist jedoch der Markt mit seinen Preisen. Der wichtigste Kostenposten jedoch ist in der Regel der Lohn – der Preis für die eingekaufte Arbeitskraft. Diese Arbeitskraft muß ausgebeutet werden. Da die Träger der Arbeitskraft Menschen sind, die sich nicht ausbeuten lassen wollen und sich organisieren, haben die kapitalistischen Unternehmer Strategien, mit ihnen umzugehen. Sie nutzen wie die Herrschenden in anderen Klassensystemen vor ihnen den Staat und das (hier kapitalistische) Rechtssystem, um sie zu bekämpfen.
Sie bekämpfen sie nicht, weil sie sie verachten, sondern weil die Konkurrenz sie drückt und sie sich diese Konkurrenz auch für die Lohnabhängigen wünschen. Sie verachten sie nicht, weil sie Arbeiter sind, sondern weil die Verachtung ein Instrument ist, mit dem man (anderen leichter schaden,) sie unterdrücken kann. Unter den Bedingungen kapitalistischer Konkurrenz können die Lebensbedingungen ohne einen direkten Kampf gegen die Prinzipien der kapitalistischen Marktwirtschaft, ohne wenigstens eine Abschwächung oder Aufweichung dieser Prinzipien zu erreichen, nicht verbessert werden.
Die Sozialdemokratisten ignorieren diese Tatsache. Sie wursteln herum und versuchen zwischen den illegitimen Interessen der Kapitalisten, deren Verachtung auch sie trifft, und denen der Lohnabhängigen zu vermitteln. Der Versuch gegensätzliche Interessen zu vereinen, muß scheitern!

 

Kompromisse

Konflikte mit gegensätzlichen Interessen sind nicht beizulegen. Sie müssen entschieden werden! Da die Sozialdemokratisten ja eigentlich (ursprünglich) einer Arbeiterpartei angehören, aber andererseits das System nicht beschädigen wollen, sind sie in einem Dilemma – was sie aber nicht zugeben.
So kommt es, daß die Sozialdemokratisten Kompromisse schließen. Kompromisse zwischen legitimen und illegitimen Interessen (oder andersherum – je nach Standpunkt) werden von beiden Seiten argwöhnisch betrachtet und müssen verschleiert werden. Durch diese Kompromisse entfremden sich die Sozialdemokratisten von der ursprünglichen Intention ihrer Bewegung.

Die Konkurrenz zwingt die Einzelunternehmer möglichst wenige Arbeitskräfte einzukaufen bzw. auch Leute zu entlassen. Durch Rationalisierungen gibt es bekannter Maßen eine zunehmende Freisetzung von Arbeitskräften, was eine Grundeigenschaft des Kapitalismus ist. Kapitalisten wollen diese Tatsache verschleiern und trotzdem von ihr profitieren.
Sozialdemokratisten appellieren an die Unternehmer mehr Leute einzustellen, wollen jedoch keine Zwangsmaßnahmen ergreifen. Die Verschleierung durch die Vokabeln „Arbeitgeber“ für den Unternehmer, der die Arbeitskraft einkauft und „Arbeitnehmer“ für den Träger der Arbeitskraft – den Arbeiter oder Angestellten,der sie auf dem Markt anbieten muß, ist bei den heutigen Sozialdemokratisten längst fest verankert.

Die Konkurrenz zwingt die Einzelunternehmer die Arbeitskraft billig einzukaufen. Gegen diese Lohnsenkungen kämpfen die Gewerkschaften, die aus historischen Gründen mit den Sozialdemokratisten verbunden sind. Nicht nur, weil es Widerstand gibt, sind auch die Kapitalisten organisiert. Als Klasse waren sie es von Anfang an. Lohnsenkungen werden daher im modernen Kapitalismus in der Regel durch gesetzliche Maßnahmen durchgesetzt. Diese Methoden verschleiern die Ausbeutung besser, als konkrete Einzellohnsenkungen. Die Methode Lohnsenkungen gesetzlich festzulegen, verschafft ihnen eine pseudodemokratische Rechtfertigung und hebelt die Ergebnisse jahrzehntelanger Arbeitskämpfe auf kaltem Wege aus.
Die Sozialdemokratisten haben sich, um ihre inzwischen sehr feste Einbindung ins System nicht zu verlieren, eine solche Blindheit zugelegt, daß sie solche Lohnsenkungsmaßnahmen nicht nur nicht bemerken, sondern sogar mittragen, weshalb sie auch unsolidarisch und keine Sozialdemokratisten mehr sind.

Da sie aber das Wörtchen „sozial“ in ihrem Namen tragen ist das für sie nicht ganz so einfach. Sie müssen die Maßnahmen daher kritisieren und „verbessern“.

Wir nennen diese vorsätzlich betriebsblinden „Sozialdemokratisten“ – falsche Sozialdemokratisten.

 

Bitteres Scheitern – süßes Scheitern

Daß dieses Scheitern nicht bemerkt wird, hat mehrere Ursachen. Zunächst wollen sich viele nicht eingestehen, daß der gesamte über Jahrzehnte verfolgte Politikansatz falsch ist. Zum anderen haben gerade führende Parteimitglieder inzwischen eine solche Nähe zum System, daß sie ihm nicht mehr kritisch gegenüberstehen. Gerade, wenn Diäten und Aufwandsentschädigungen seit Jahren zu einem hohen Lebensstandard geführt haben, haben sich Abgeordnete von der Basis entfernt. Das Problem für die Bewegung besteht darin, daß gerade die führenden Köpfe, eben die, die ins Parlament gewählt werden, am ehesten korrumpiert werden, weil sie

  • die Bequemlichkeit des Wohlstands, sowie
  • die Annehmlichkeiten und den Ruhm des Amtes erfahren haben,
  • ins System eingebunden sind,
  • dem Drang dazuzugehören unterliegen,
  • mit zunehmendem Alter irgendwo ankommen wollen,
  • materiell korrumpiert sind und
  • die Ausbeutung nicht nur verwalten,sondern auch gestalten können.

Diese systematische Korruption umfaßt hier noch nicht (einmal) das, was man im engeren Sinne unter Korruption versteht. der Empfang von Geld für konkrete gesetzgeberische Leistungen kann natürlich noch dazukommen. Die Korruption durch Unternehmer hat ein Parlamentarier im Prinzip nicht nötig. Sie gesellt sich durch die Gewohnheit an der verdorbenen Verwaltung der Ausbeutung, der kapitalistischen Interessenduchsetzung und der immer stärkeren Teilhabe an der Repression fortschrittlicher Kräfte, durch die eigene immer stärkere Beteiligung an Geldanlagen, vor allem aber durch den Wunsch nach oben zu kommen und bedeutend zu werden, automatisch mit der Zeit dazu. Die Korruption von Privatunternehmen ist bei Sozialdemokratisten nicht so stark, wie bei den Unternehmerparteien, die sie als Naturrecht und Qualitätsmerkmal derer, die sich nicht erwischen lassen, betrachten.
Kurz: Die Einbindung ins System, die Übernahme kapitalistischer Regierungsgeschäfte führt von der blauäugigen Distanzlosigkeit zur Praxis des kapitalistischen Verbrechens – der ständigen Verletzung von Menschenrechten. Erlangt die Menschenrechtsverletzung Gesetzeskraft, kann man nicht mehr nur von Staatsnähe, sondern von einer vollen Systemintegration der falschen Sozialdemokratie sprechen. Diese können einige ihrer Exponenten sich versilbern lassen.

Das Scheitern sozialdemokratischer Ideen wird verständlicher Weise außerdem verdrängt.

 

Das Ende des Sozialdemokratismus

Symptome

Obwohl die tradierten Formen der Sozialdemokratie länger durchgehalten werden, als die politische Praxis, kann man einen Einbruch derselben und deswegen gerade an ihrem Verschwinden den politischen Verfall der Bewegung ablesen. Der erste Mai, der historisch ein Kampftag war, wurde von Hitler zum Zwecke des Gewerkschaftsverbots demagogisch zum Feiertag gemacht. Dieser Feiertag wurde nach dem Ende des NS-Regimes beibehalten, da die demagogische Funktion in der kapitalistischen Bundesrepublik unverändert benötigt wurde1. Die SPD in der BRD hat die hiermit verbundenen Traditionen mit abnehmendem Interesse lange gepflegt. Im Jahre 2000 hat sie jedoch in den meisten westdeutschen Städten kaum noch an Umzügen teilgenommen. Das lag allerdings daran, daß die traditionell von der SPD unterwanderten Gewerkschaften, sowie der traditionell von der SPD unterwanderte und heute sich fest in nationalchauvinistischer und neoliberaler Hand befindliche DGB, sich schon damals schämte, die Demonstrationen für den ersten Mai zu organisieren (Beispiel: Mainz). Der DGB zog sich vielerorts auf die Organisation zentraler Kundgebungen mit kleinem Volksfestcharakter zurück. (Eine heutige Wiederbelebung durch neue linke und (echte) sozialdemokratische Organisationen verläuft aufgrund der starken antikommunistischen Marginalisierung äußerst zäh.)

Ein erstes Symptom des Verrats ist die Scham. Der angehende Verräter übernimmt unbewußt Teile der Anschauungen der ihn verachtenden Herrschenden. Er schämt sich dann seiner eigentlichen Politik. Einige schämen sich ihrer (linkeren) Genossen. Die persönliche Souveränität bricht ein.

 

Wesentliches

Der Gesinnungswandel geht über Jahre und findet im Inneren der Köpfe statt, weswegen hier erst analysiert wird, worin er besteht und dann nach Anzeichen gesucht wird. Beispiele und Warnsignale beschließen den Abschnitt.
Sozialdemokratismus bedeutet mindestens rudimentäre Solidarität. Wodurch kann Solidarität verloren gehen? Solidarität verschwindet, in Konkurrenz zu Wohlstandsstreben. Wann immer jemand zu sehr zum Haben strebt, ist er2 anfällig für Statusdenken. Dieses Statusdenken ist das Fundament, auf dem Ressentiments wachsen können. Konkret ist das Statusdenken die Ursache für das Streben zum Haben. Wir erkennen den Beginn des Statusdenkens an der Eitelkeit. Die öffentlich vorgetragene Eitelkeit zeigt den Gesinnungswandel an. Eitelkeit bei Politikern ist leicht zu erkennen: Statt über die Sache, reden sie selbstgefällig über sich selbst, streben zum Reichtum, suchen die Nähe zum Kapital, protzen mitunter plump. Der von konservativen Medien inszenierte Guttenbergkult zeigt beispielhaft, wohin eine Kultur, die sich bereits einer erworbenen Akzeptanz öffentlicher Eitelkeit bedient, kommen kann – zur öffentlichen Verherrlichung des Krieges.

Eitelkeit finden wir heute bei (ehemaligen) Jusovorsitzenden genauso, wie bei Bundespolitikern. Selbst die Linkspartei ist nicht gegen Eitelkeiten gefeit. Wer eitel ist, strebt nach oben. Wer nach oben strebt, entsolidarisiert sich. Wer sich entsolidarisiert hat, kann die Interessen des Volkes nicht mehr vertreten. Wer unsolidarisch ist, ist bereit Ressentiments aufzunehmen, da das Statusdenken das Besser-sein-wollen beinhaltet und die Entsolidarisierung sich durch den Übergang vom Gedanken zur Tat ins Ressentiment wandelt. Das liegt einfach daran, daß wer im Kapitalismus etwas Besseres sein will, als andere, anderen etwas wegnehmen muß. Wer aber anderen etwas wegnehmen will, muß sie verachten. Diese Verachtung ist das Ressentiment. Das Ressentiment ist das Werkzeug der Herrschenden, das sie selbst für die dazu notwendige Unterdrückung konditioniert. Ohne Verachtung kann man anderen keinen Schaden zufügen.
Der Rassismus der SPD das neue rassistische Ausländerrecht, das Schengenabkommen und die Abschaffung des allgemeinen Asylrechts schon 1993 zeigen exemplarisch die Anfälligkeit der sich „Sozialdemokratische Partei Deutschlands“ nennenden (heute teils postneoliberalen) Organisation. Die Haßtiraden des Kanzlers Schröder (SPD) auf Arbeitslose, Ausländer (, auch Sexualstraftäter und Lehrer), die Serbenhetze des Kriegsministers Scharping (SPD) zeigten klar, daß die SPD nicht mehr sozialdemokratistisch, sondern heute fest im rechten Spektrum verankert ist. (→ »Wo stehen die Parteien im politischen Spektrum?«)
Nationalismus findet sich in Form des Standortdenkens wieder, das implizit von einer zwischenstaatlichen Konkurrenz ausgeht, welche von echten Linken aller Couleur vehement bekämpft wird.
Warnsignale für einen persönlichen Gesinnungswechsel sind öffentlich wahrnehmbare Eitelkeit, Dünkel und (insbesondere Sozial-) Chauvinismus, sowie alle bekannten Ressentiments.

 

Inhaltliches

Der Sozialdemokratismus wird abgelöst durch die falsche Sozialdemokratie. Die falsche Sozialdemokratie ist vollständig ins System eingebunden und somit unfähig zu systemrelevanter Kritik. Die falsche Sozialdemokratie ist eine ins kapitalistische System integrierte Kraft, die als Inhalt einen gemäßigteren Kapitalismus verspricht, jedoch einen entschlossenen Kampf gegen die Arbeiterklasse, aus der sie einst selbst hervorging, und gegen die neuen Vertreter der unterdrückten Klassen führt.

Das gefährliche an den falschen Sozialdemokraten ist, daß sie als links gelten. Dies‘ macht gleichzeitig ihr Potential für die herrschende Klasse aus. In Deutschland sind es Namen wie Nooske, Schmidt, Scharping und Schröder, die für die Ausschöpfung dieses Potentials stehen.

So wie die Sozialdemokratisten sich rhetorisch mit dem „Sozialismus“ schmücken, schmücken sich die falschen Sozialdemokraten mit dem Wort „Sozialdemokratie“ – einem Begriff, den sie längs verraten haben und der wie in »Was ist Sozialdemokratismus?« erwähnt, den Sozialdemokratismus bezeichnet.

Die falschen Sozialdemokraten haben kein Problem mehr damit, die strategischsten Reallohnsenkungsmaßnahmen selbst durchzusetzen und sogar selbst zu entwerfen.
Um den Arbeitslosen die Schuld an der Arbeitslosigkeit zu geben (, die natürlich bei den Unternehmern liegt), haben kapitalistische Unternehmerparteien bisher Kampagnen zur angebliche Faulheit der Arbeitslosen geführt. Diese Kampagnen schreckten auch nicht davor zurück soweit zu hetzen, daß die Sozialhilfe infrage gestellt wurde. Sie waren, als noch genügend Sozialdemokratisten dagegen waren, allerdings nicht sehr erfolgreich.
In den Schröder-Regierungsperioden von 2002 bis 2006 und 2006 bis 2009 sind die falschen Sozialdemokraten relativ offen auf die Unternehmerseite gewechselt und haben die Hetze gegen Arbeitslose und Ausländer selbst übernommen und gesetzliche Maßnahmen zur Durchsetzung von Zwangsarbeit bzw. Zwangsniedrigstlohnarbeit – einer staatlichen Dumpinglohnfördermaßnahme ergriffen. Auf diese Weise ist das Lohnniveau auf dramatische Weise unter Druck geraten. Da aber nicht nur das Reallohnniveau (aus kapitalistischer Sicht) gesenkt werden soll, sondern alle Realeinkommen, sind auch die Einkommen von Sozialhilfeempfängen und die Renten durch geeignete Maßnahmen gesenkt worden. Dazu wurde sogar die Rentenformel zerstört. Die krassesten Maßnahmen zur Senkung der Realrenten ist die Verkürzung der Arbeitszeit für viele Arbeitslose und die Rente mit 67. Diese Maßnahme betrifft vor allem Arbeitslose, die begleitet von Hetze auch aus dem Lager der falschen Sozialdemokraten betroffen waren. Seit diesem Seitenwechsel, der sich vor Jahren schon durch eine Abkehr vom Asylrecht und die Beteiligung an rassistischer Ausländergesetzgebung angekündigt hat, sind die Ressentiments gegen Arbeitslose auf bis dahin nie dagewesene Werte angestiegen. Viele Arbeitslose werden krank davon. Trotz Mangels an Arbeitsplätzen, müssen Arbeitslose sich rechtfertigen. Trotz des Profits einiger weniger Superreicher, neiden dumme Zeitgenossen den Arbeitslosen das wenige, das sie zum Leben haben. Die falschen Sozialdemokraten tun heute also das Gegenteil von dem, was, wie in »Was ist Sozialdemokratismus?« erläutert, der theoretische Sinn der Sozialdemokratie ist.

 

Neoliberalismus

Obwohl der Neoliberalismus (»Was ist Neoliberalismus?«) nicht die Idee der falschen Sozialdemokraten war, so waren sie doch in ihrer Regierungszeit seine entschiedensten Vertreter. Egal welche neoliberale EU-Richtlinie gerade durchgeboxt werden sollte – das Schröder-Deutschland stand „in der ersten Reihe“3.
Zum Leidwesen, der mit Wählermißachtung gestraften CDU/CSU durften die falschen Sozialdemokraten sogar den ersten Angriffskrieg nach 1945 führen – ein Vorrecht, das eigentlich der CDU, die intensive Kontakte zu Nazis hatte und über ausreichend alte Herren aus diesem Spektrum verfügte, gebührte4.
Neoliberalismus bedeutet auch WTO-Mitgliedschaft und WTO-konformes Europa. Neoliberalismus bedeutet Biopatentrichtlinie, triviale Softwarepatente und Bolkestein-Hammer. Bei alledem hat die deutsche SPD längst keinen Widerstand mehr geleistet, sondern im Gegenteil die neoliberalen „Reformen“ vorangetrieben.
Genauso war es mit Labour im Vereinigten Königreich mit der PSOE in Spanien, Mit den sogenannten „Sozialisten“ in Frankreich, deren zwei bedeutende Köpfe Dominique Strauß-Kahn und Bernard Kouchner sich von Nicolas Sarkozy mit Posten kaufen ließen.

Nach dem Sieg des Kapitalismus über den Staatssozialismus in Osteuropa. wurde der westliche Klassenkompromiß bedeutend abgeschwächt, wodurch sich Not und Elend in Westeuropa – vor allem aber in Osteuropa, das nun stärker von Westeuropa ausgebeutet wird, wieder verschärften. Diese Ausbeutung Osteuropas wird in den reichen Ländern Westeuropas nicht mehr in dem vergangenen Maße auf die (westliche) Allgemeinheit umgelegt, sondern bescherte zusammen mit dem bei der Abschwächung des Klassenkompromisses eingesparten Profit, vielen Reichen eine nach dem Krieg bisher nicht dagewesene Profitrate. Diese Profitrate betrifft vor allem das Finanzkapital. Der private Reichtum in der BRD steigt insbesondere nach der Abschaffung der Vermögenssteuer, und der Senkung von Unternehmenssteuer und den Ecksteuersätzen für Reiche unter den Regierungen Kohl (CDU) und Schröder (SPD), ins Unermeßliche.

Da eine (echte)Sozialdemokratie nicht mehr existierte und die echte Linke schwach war, gab es praktisch keine Gegenwehr.

[Evariste]
 

Version 1.0.2 vom 25.06.2016
 

1 Ganz im Gegensatz zur DDR, wo der erste Mai als Kampf- und Feiertag der internationalen Arbeiterklasse verstanden wurde und die Arbeiter zumindest von der privatkapitalistischen Ausbeutung wirklich befreit waren.
2 „Ist er … „ heißt „bedeutet das … -keit …“.
3 Als Gerhard Schröder den Traum der Nazis und Postfaschisten – wieder Krieg zu führen – mit dem ersten Angriffskrieg seit 1945 – erfüllte, und zusammen mit anderen NATO-Staaten die BR Jugoslawien bombardierte, zeigte Bild ganz vorn auf Seite 1 deutsche Kampfjets im Flug und titelte stolz „Deutsche fliegen in der ersten Reihe“! Der Fall ist vor allem deswegen delikat, weil auf Bestreben des Außenamtes und der Wirtschaft wieder dieselbe Seite, wie im ersten und zweiten Weltkrieg gewählt wurde. Die Feinde hießen wieder „Serbien“, aber auch „Völkerrecht“ und „Völkerfreundschaft“. Die Freunde hießen z. B. „Albanisches Kosovo“, „UCK“, … , aber auch „Nationalismus“ und „Separatismus“.
4 Volker Rühe (CDU) erklärte später, daß man lange gebraucht habe, um Militär der Öffentlichkeit akzeptabel zu machen. Dieser Krieg war nicht der einzige, den die falschen Sozialdemokraten den Konservativen wegnahmen. Kurz nach dem Überfall auf die BR Jugoslawien, überfielen die USA den Irak und später Afghanistan, die BRD war immer mit dabei. Der Irakkrieg wurde sogar von deutschem Territorium aus geführt, Ziele vom BND ausgesucht, das US-Kanonenfutter in Militärkrankenhäusern der BRD wieder zusammengeflickt, die Angriffsbasen von der Bundeswehr geschützt. Diese Kriege sind nicht typisch für den Neoliberalismus, der ja nicht nur eine Ideologie ist, sondern neben dem Faschismus eine strategische Option des Imperialismus.

Von Evariste

Schreibe einen Kommentar