Di. Mrz 19th, 2024

Wörter; 2032 Linkslevel:-1 Nichtlinke

Die Periode des Neokolonialismus ist noch nicht ganz abgeschlossen, obwohl bereits die des Neoliberalismus begonnen hat. Aber auch aus prinzipiellen Erwägungen ist ein Verständnis des Neokolonialismus notwendig. Dazu sollte zuerst klar sein, was Kolonialismus ist.

 

Was ist Kolonialismus?

Der Kolonialismus besteht darin, Länder, die technologisch und (somit) militärisch unterlegen sind, zu überfallen, und gewaltsam zu kolonisieren. Die Bewohner der überfallenen Länder werden versklavt oder zu niedrigst entlohnten Tätigkeiten herangezogen, die Rohstoffe und Erzeugnisse des Landes geplündert. – Das Land wird kolonialisiert. Die Kolonialisierung besteht also in einer erzwungenen Ausbeutung der kolonialisierten Bevölkerung, der Reichtümer des Landes und seiner Bodenschätze. Alles wird ausgeraubt. Zum Überbau der Kolonialisierung gehört die Anpassung der Kultur und der Religion des eroberten Landes.

Mithilfe des so geraubten Reichtums, geraubter Energie1 und geraubter Arbeit versuchten die überlegenen Länder bereits in der Zeit des Frühkapitalismus in der Konkurrenz miteinander eine Vormachtstellung zu erreichen. Die Entwicklung des Kapitals führte zur Einführung von kapitalistischen Produktionsmethoden in den überfallenen Ländern, die allerdings nichts davon hatten, da sie aus Profitgründen von den sie ausbeutenden Mächten von Anfang an als Länder funktionalisiert – das heißt auf wenige Produkte spezialisiert wurden. Auf diese Weise entstanden strukturelle Abhängigkeiten.

Typisch für kolonialisierte Länder waren militärische (Gouverneure) oder adlige (monarchische) Machthaber, die als Statthalter zur Verfügung standen, sowie eine herrschende Schicht der kolonialisierenden Ausländer, die aufs engste mit ihrem Militär verbunden waren. Die Not, die durch die ausbeutenden Mächten über diese Länder und Kulturen gebracht wurde führte immer zu Aufständen, die jedoch von den noch technisch überlegenen Mächten blutig niedergeschlagen wurden.

So einseitig die Produktionsmethoden in den ausgeplünderten Ländern waren, die Entwicklung der Produktivkräfte und die wachsenden Bedürfnisse der Herrschenden brauchten mit fortschreitendem Niveau Bildung. Diese Bildung wurde zwar in einem vermindertem Maße, aber getreu dem Gesetz der Produktivkraftentwicklung, wie in den Industrieländern – nur etwas später – eingeführt. Durch diese Bildung entstand wie zuvor in den industrialisierten Ländern ein politisches Bewußtsein. Dieses Bewußtsein führte in den Industrieländern zu bürgerlichen und proletarischen Revolutionen und in den Kolonien zur Befreiung vom Kolonialismus.

 

Die Befreiung vom Kolonialismus und der Neokolonialismus

Die Befreiung vom Kolonialismus war oft auch eine Befreiung von der Sklaverei. Sie ging oft einher mit dem Sturz der korrupten Statthalter. Sie wurde oft auch von neuen Truppen niedergeschlagen und mußte oft in zähen Kämpfen gegen besser bewaffnete Streitkräfte erkämpft werden.

In einigen Ländern einigte man sich in Verhandlungen über den Abzug der Kolonialmächte. So wurde in Haiti beispielsweise eine Entschädigung der in der Mehrzahl französischen Sklavenhalter für den ihnen verlorenen gegangenen “Besitz” an Sklaven ausgehandelt. Durch diese Entschädigung geriet das Land Haiti in Schulden, von denen es sich bis heute nicht befreien konnte.
Schulden sind jedoch nicht der Hauptgrund, warum die Länder abhängig blieben. Der Hauptgrund ist die oben erwähnte strukturelle Funktionalisierung der Wirtschaft. Es entstanden die klassischen Bananenrepubliken, die auf die Produktion von ein bis drei Hauptprodukten spezialisiert waren und andere Produkte nicht herstellen konnten, da ihre Produktivkräfte unterentwickelt waren. Durch diese Unterentwicklung auf wirtschaftlichen Schlüsselgebieten blieben die Länder in ökonomischer Abhängigkeit. Als die ehemaligen Kolonialmächte das verstanden hatten, taten sie alles, die Produktivkraftentwicklung in diesen Ländern zu behindern.
Außerdem gab es eine herrschende Klasse, zu der natürlich viele Ausländer der ehemaligen Kolonolonialmächte gehörten. Diese herrschende Klasse pflegte, wie auch die in Europa einen (spezifischen gemischten aber) gehobenen Lebensstil. für sie mußten gehobene Bedürfnisse befriedigt werden, ihre Kultur, die auf kapitalistischer Ausbeutung beruhte, mit Waren und Dienstleitungen versorgt werden, die langsam die Kultur des ganzen Landes infiltrierte. Breite Teile der Bevölkerung mußten gebildet werden. Da die Länder nun außerdem ein politisches Selbstverständnis der Befreiung hatten, konnte Bildung nicht einfach verweigert werden. Oft genug war jedoch Mangel und Elend, sowie fehlende Sorge der neuen nun auch wieder korrupten Regierungen für den Mangel an Bildung verantwortlich. Neuer Widerstand entstand, der auch wieder bekämpft wurde. Die ausbeutenden Industriestaaten (die imperialistischen Länder) wußten wie ökonomische Ausbeutung funktioniert. Mit Elend und Propaganda nun häufiger als mit Waffengewalt versuchten sie diese Herrschaftssysteme mit immer raffinierteren Methoden zu stabilisieren.
Der Kolonialismus zerstörte die traditionellen Produktionsmethoden und erzeugte wirtschaftliche Monokulturen. Die auf Export der Hauptprodukte angewiesenen Länder müssen zu niedrigsten Preisen exportieren. Durch Importe kann dann jedes Entwicklungsland verschuldet werden. Das sichert den Statthaltern des Nordens bzw. den entwickelten imperialistischen Ländern die Herrschaft.

Der Neokolonolonialismus dauert in vielen Ländern bis heute an. Die imperialistischen Staaten und ihr jeweiliger Klassenkompromiß zehren davon. Die kolonialisierenden Staaten wetteifern um die meisten Kolonien.

 

Die Befreiung vom Neokolonialismus

Die Solidarität der sozialistischen Staaten und der Zusammenbruch

Zur Zeit der staatssozialistischen Systeme, die teils durch proletarische Revolution, teils durch Überstülpung der nicht immer verstandenen Ergebnisse der proletarischen Revolution entstanden waren, nahmen sich viele Länder, die an der Tradition der Befreiung festhalten wollten ein Beispiel, an eben jenen Ländern, die die Macht des Kapitals abgeschüttelt hatten. Es zeigte sich jedoch, daß in vielen dieser Länder Revolutionen scheiterten, weil die Bevölkerung noch nicht oder nicht in der Masse das dazu passende Bewußtsein hatte. Außerdem gab es (mittlerweile im kalten Krieg) einen intensiven Kampf der imperialistischen Länder gegen diese Befreiungsbewegungen, deren Methoden von kultureller Beeinflussung über Propaganda bis hin zu nacktem Terror reichte. Der Antikommunismus wurde zu einem wichtigen Instrument im Kampf gegen Befreiungsbewegungen.
Nach dem Zusammenbruch der autoritären staatssozialistischen Systeme, der hier nicht behandelt werden kann, brachen auch viele assoziierte Befreiungsbewegungen zusammen oder wurden gleich kapitalistisch korrumpiert. Über zehn Jahre war die Hoffnung auf Befreiung dahin.

 

Neue Hoffnung

Es zeigte sich jedoch, daß der Widerstand in einem einzigen Land lebendig geblieben war. Dieses Land ist die Insel Kuba. Die genauen Gründe für das Überleben Kubas müssen jedoch in einem Extraartikel behandelt werden.
 

Was ist in Kuba anders?

Zunächst hatte sich Kuba spät erst in der Blütezeit des östlichen Staatssozialismus vom Kolonialismus (der USA) befreit. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Umstürzler zwar vor, die Verhältnisse auf der Insel zu ändern, wollten jedoch nur Demokratie und noch keinen Sozialismus. Die Idee eine sozialistische Gesellschaft anzustreben mag induziert worden sein, da Kuba, dessen Befreiung die imperialistischen Staaten von Anfang an feindlich gegenüberstanden, Hilfe aus dem sozialistischen Ausland bekam, praktisch können wir heute jedoch sagen, daß durch die Herrschaft des Volkes auf Kuba, sich der Wille zum Sozialismus herauskristallisierte. Die Einsicht, daß die herrschende Klasse, die die Produktionsmittel besitzt und an diesem Anspruch bewaffnet festhält, beseitigt werden muß, um das Elend zu beseitigen, kann nur ohne den Einfluß eben durch Herrschaft des Volkes selbst erlangt werden. (genau das ist der Grund warum die imperialistischen Staaten die Demokratisierung vieler abhängiger Länder, aber auch die der sozialistischen Länder so vehement bekämpfen.)
 
Es gibt noch ein weiteres Beispiel: Venezuela. Die Befreiung Venezuelas verlief wie die vieler amerikanischer Staaten in einem ersten Schritt, einer Befreiung vom Kolonialismus, die unserer bürgerlichen Revolution entspricht und einer zweiten – noch nicht abgeschlossenen – antineoliberalen Befreiung in der Zeit nach dem Zusammenbruch des östlichen Staatssozialismus.
Was ist besonders an Venezuela?
In Venezuela hat sich durch demokratische Wahlen im bürgerlichen System eine antineoliberale Bewegung durchgesetzt, die nun nach einer gewissen Konsolidierung eine Entwicklung zum Sozialismus ausgerufen hat.
Gibt es noch solch ein Beispiel?
 
Ein weiteres Beispiel ist das Land Chile. In Chile ist schon zur Zeit des kalten Krieges ebenfalls auf demokratische Weise im bürgerlichen System eine sozialistische Bewegung an die Macht gelangt, von der die imperialistischen Staaten glaubten, daß dort Sozialismus entstehen könnte. Aus diesem Grunde wurde mit us-amerikanischer Hilfe in Chile ein Putsch gegen die rechtmäßig gewählte Regierung durchgeführt, der alles sozialistische zerschlagen sollte und zur fast vollständigen Ausrottung aller Linken in diesem Lande führte. Dieser Faschismus war die imperialistische Notbremse gegen die Entwicklung des Sozialismus auf dem amerikanischen Kontinent.
Ein sich durch Wahlen im bürgerlichen System entwickelnder Sozialismus wird imperialistisch niedergeschlagen.

Wir lernen, was Imperialisten immer wußten und fürchteten:

Sozialismus entsteht durch Volksherrschaft!

 

Was ist Neoliberalismus?

Herrschaftliche Notwendigkeit

Weiter oben ist dieses Wort bereits einmal vorgekommen. Wenn fremde Länder unterdrückt werden sollen, geht das nicht ohne Gewalt. Jedoch sind die westlichen Herrschaftssysteme – insbesondere nach der Erfahrung mit dem sektiererischen deutschen Faschismus – in der Anwendung der Gewalt ökonomischer geworden. Die Imperialisten besannen sich zurück auf den Kern ihrer ausbeuterischen Ideologie und entwickelten ihn weiter. Die Methode jedes (imperialistischen) Rechtsstaates Gewalt zu ökonomisieren ist bedeutend weiterentwickelt worden. Durch den Wegfall von Sklaverei, Leibeigenschaft und Schuldknechtschaft mußte im Manchesterkapitalismus der pure Hunger als ökonomisierte Gewalt auftreten. Diese extreme Form der Gewalt ist jedoch nicht notwendig. Durch „New Labour“, Hartz IV und die neue Niedrigstlohnzwangsarbeit kann man empfindlich um zehn bis fünfzehn Prozent ins Existenzminimum hineinkürzen und der aufsässige Delinquent spielt wieder mit. Diese Form der ökonomischen Gewalt beruht auf der Ausnutzung allgemeinen Elends und wird heute nicht mehr von der Polizei ausgeübt, sondern subtiler Weise ganz banal von bürokratischen Sachbearbeitern, die selbst an Weisungen gebunden sind, ohne Gerichtsbeschluß nach Ermessen verordnet. Die kapitalistische Sozialpolitik mutiert zum Bürofaschismus. Das funktioniert nur, weil die ausgebeuteten Menschen selbst verächtlich und unsolidarisch denken und glauben, daß das “recht” wäre.
Will man nun zwischenstaatlich oder multilateral ausbeuten, braucht man ein internationales Rechtssystem. Dieses Rechtssystem kann vorläufig durch das abschließen von Verträgen errichtet werden. Da aber selbst korrupte Regierungen nicht immer geneigt sind, Knebelverträge zum Nachteil des eigenen Landes abzuschließen, braucht man eine rechtfertigende Ideologie. Diese Ideologie ist der Neoliberalismus.
Der Neoliberalismus postuliert insgeheim (implizit oder a priori), daß Unternehmen den Menschen mindestens gleichberechtigte Rechtspersonen sind. Auf diese Weise kann plötzlich von einer “Diskriminierung” von Unternehmen gesprochen werden, wenn ein Land ein Sozialgesetz, ein Bildungs-, ein Umwelt-, ein Flächennutzungs-, ein Kultur-, oder Handelsschutz-gesetz erläßt. dieser Neoliberalismus wurde jahrzehntelang als fortschrittlich und als entwicklungsfördernd gepriesen. Da der Neoliberalismus ein internationales Rechtssystem rechtfertigt, ermöglicht er die Ausbeutung fremder Länder _ ja ganzer Kontinente. Er verlängerte die imperialistische Herrschaft und ermöglichte vielen Stellvertreterregierungen den zeitweisen Verzicht auf herrschaftlichen Terror.
 

Da der Neoliberalismus in vielen Ländern nicht mehr akzeptiert wird, frißt er nun die Industriestaaten selbst. Es ist klar, daß die Freiheit der Konzerne, der der Menschen entgegensteht. Wenn aber die Freiheit der Konzerne als Rechtsgut festgeschrieben wird, ist die der Menschen nicht mehr viel wert. Im Moment sieht es so aus, als wenn das eine oder andere Land mehr davon profitieren würde. Zum Beispiel, daß die USA in Europa Hosen und dekadente Produkte absetzen würden. Im Wirklichkeit aber verlieren die USA auch, denn die Sieger im Kapitalismus werden keine Länder sein (auch nicht China), sondern Konzerne — bzw. die Aktionäre dieser Riesenunternehmen.
Die Dummheit, neoliberale Prinzipien angenommen zu haben, an der auch sogenannte sozialdemokratische Parteien (die falschen2) massenhaft teilnahmen und ihrem Namen größte Schande bereiteten, bedeutet, daß die Freiheit – der Spielraum – die Freizeit, der Reallohn, der Urlaub, die Gesundheit, die Altersversorgung und vieles mehr sich für die Masse der Bürger auch in den eigentlich reichen Industriestaaten verringern. Der Unterschied zwischen Arm und Reich verschärft sich, die Akkumulationsmöglichkeiten des Kapitals vergrößern sich. Diese Verschärfung gesellschaftlicher Widersprüche muß zwangsläufig mit einer Einschränkung der Demokratie einhergehen, wenn sie lange aufrechterhalten werden soll. Zu diesem Zweck ist es herrschaftlich notwendig, daß sich die Ausgebeuteten vor linken Bewegungen fürchten und sich nicht solidarisieren. Dafür gibt es den Antikommunismus.
 
Die Emanzipation von eben diesem Neoliberalismus als ideologische Verlängerung neokolonialer Ausbeutung schafft Freiheit.
Die Befreiung vom Neoliberalismus, der übrigens in Südamerika mit faschistischem Terror durchgesetzt wurde, begann eben in Südamerika, als eine neue kritische Generation erwachsen wurde, nachdem eine Generation zuvor fast alle Linken ausgerottet wurden. Heute sind deswegen noch nicht alle diese Länder sozialistisch, aber sie wehren sich gegen die Ausplünderung ihrer Ressourcen und zunehmend auch gegen die Ausbeutung ihrer Arbeitskraft.

Der Kampf gegen den Neoliberalismus ist ein Zeichen der Demokratisierung.
 

Arabische Länder

In den arabischen Ländern finden dieser Tage Umstürze statt. Diese Umstürze richten sich teilweise gegen Autoritarismus und gegen den neokolonialen Charakter der Herrschaft. Teilweise jedoch wurden die Umstürze inzwischen umfunktioniert (zu imperialistischen Kriegen (Libyen, Syrien), niedergeschlagen (Bahrein) oder mündeten in einen westfreundlichen Islamismus (Ägypten). Inwieweit sich diese Völker wirklich befreien können, hängt davon ab, wie klar sie den wahren Gegner ihrer Interessen erkennen. Falsche bzw. inszenierte Befreiungen (Elfenbeinküste) oder Befreiungen, bei denen die Befreier selbst später zu Despoten wurden, hat es auch in Afrika schon oft gegeben.

Es kommt daher darauf an, das zu schaffen, was der Horror aller Imperialisten ist:
bewußte Bevölkerungen.

[Evariste]
 

Von Evariste

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