Di. Mrz 19th, 2024
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Serie zum Sozialdemokratismus

Serie zur falschen Sozialdemokratie

 
Vorausgeschickt sei hier, daß wir – von der Schule des Linksseins – auch den echten1 sozialdemokratischen Gedanken ablehnen. Die Serie zur falschen Sozialdemokratie, die den Kapitalismus stützt, beschreibt das Zustandekommen des Zustandes und den Zustand der falschen und nur sogenannten sozialdemokratischen Parteien in Europa selbst und anderswo.
 

Benennung
 
In diesem ersten Pilotbeitrag wird, um klar zu machen, worum es geht, die echte Sozialdemokratie beschrieben, deren Ideen wir hier abwertend sozialdemokratistisch nennen.
 


  Die sozialdemokratische Idee ( – Der Sozialdemokratismus)
 
Abgrenzung Sozialismus — Sozialdemokratie
 
Die Idee des Sozialismus beinhaltet eine Gesellschaftsordnung zu schaffen, die alle ihrer Leistung entsprechend entlohnt, berechtigte Bedürfnisse anerkennt und Not und Elend beseitigt. Dazu sollte die Ursache für die Armut nämlich die Akkumulation des gesellschaftlichen Reichtums bei den Reichen durch Angriff des Privateigentums an Produktionsmitteln abgeschafft werden. Ein solcher Angriff scheint einigen “Sozialisten” zu schwierig oder zu gefährlich gewesen zu sein und so entstand der Sozialdemokratismus. Echte Sozialdemokraten sind falsche Sozialisten.
 

Was ist die Sozialdemokratie?
 
Der Sozialdemokratismus möchte den Kapitalismus erhalten, ihm aber ein menschenfreundliches Gesicht geben – ihn reformieren. Die ersten Sozialdemokratisten, die noch sozialistische Wurzeln hatten, behaupteten, den Kapitalismus wegreformieren zu wollen. (Ein falscher Sozialdemokrat Parteigänger der SPD (D), Labour (UK), SP (Fr), PSOE (Es), usw. …) würde sich heute dieser Behauptung schämen.) Der Sozialdemokratismus – obgleich er behauptet, den Kapitalismus wegreformieren zu wollen – hat sich geistig mit ihm arrangiert und möchte ihn nicht mehr abschaffen. Das bedeutet, der Sozialdemokratismus möchte vor allem das private Eigentum an Produktionsmitteln nicht antasten. Der Sozialdemokratismus möchte Menschlichkeit im Kapitalismus, was nach marxistischer Auffassung eine Kontrolle des Marktes erfordern würde. So beinhalten echte sozialdemokratistische Konzepte,
  • Eingriffe in verschiedene Märkte,
  • Eingriffe in privates Eigentum,
  • Zerschlagung zu großen Eigentums,
  • Arbeitskämpfe und
  • Demokratisierungsbestrebungen, wie z. b. Mitbestimmung,
  • Verbote bestimmter Arten von privatem Eigentum,
  • Vermeidung von (konservativen) Privatisierungen,
  • Emanzipatorische Initiativen (Frauen, Alte, Minderheiten),
  • Vermeidung der Arbeitslosigkeit durch sinnvolle Beschäftigung
 
 
Eingriffe in verschiedene Märkte,
 
um soziale Parameter, die Lebensnotwendiges betreffen2, nicht rücksichtslos gegen die Wand3 fahren oder ausufern zu lassen – beispielsweise Eingriffe in den Arbeitsmarkt. Da der Markt bei einem Arbeitskräfteüberschuß die Arbeitskraft beliebig billig machen kann, sogar kurzzeitig billiger als den Betrag der Kosten für die Reproduktion der Arbeitskraft (Dann gibt es Hunger, Elend, Krankheit und Tod.), hatte man die Idee z. B. Mindestlöhne einzuführen, nicht nur, um ein Absinken der untersten Lohngrenze unter das Existenzminimum zu verhindern, sondern weitergehend auch, um strategisch die Bereicherung der Reichen auf Kosten der Armen zu begrenzen. Ein realer Eingriff in den Arbeitsmarkt wäre die massenhafte Schaffung tariflich bezahlter öffentlicher Arbeit um einen Verfall der Kosten der Arbeitskraft zu verhindern.
 
Weitere Eingriffe z. B. in den Wohnungsmarkt durch sozialen Wohnungsbau sollten bezahlbaren Wohnraum sichern, Vergesellschaftungen öffentlicher Daseinsvorsorgebetriebe (kommunale Strom- Wasser- Abwasser-, betriebe und Entsorgungsbetriebe sollten weitere Härten und die Belastung der Bürger mit unnötigen Kosten beseitigen. Die allgemeine Krankenversicherung und die Rentenversicherung gehören hierzu. Sie sind jedoch nur nach neoliberaler Interpretation Eingriffe in den Versicherungsmarkt, den es gar nicht geben dürfte. Dieser Logik folgend, gehört auch ein öffentliches Gesundheitssystem dazu. Das staatliche Rentensystem verhindert, daß man sich selbst teuer (und ineffizient) auf einem privaten Versicherungsmarkt versichern muß. Sozialdemokratisten sollten eigentlich an der Erhaltung der staatlichen Rente interessiert sein.
 
Dem opportunistischen Prinzip folgend, hat die Sozialdemokratie in Deutschland in der Vergangenheit eine paritätische (zu gleiche Anteilen vom Ausbeuter (sogenanntem “Arbeitgeber”) und dem Lohnabhängigen (dem sogenannten “Arbeitnehmer”) Finanzierung der Sozialversicherung erreicht4. Die Sozialdemokraten erkennen das Privateigentum an Produktionsmitteln eben an, haben aber die Idee, mit den Ausbeutern einen solchen Frieden zu schließen, daß die Arbeiter trotz Ausbeutung durch die Kapitalisten damit leben können. Das geht faktisch nur, wenn tatsächlich die Profite begrenzt werden bzw. andersherum formuliert, die Beschäftigten genug vom Mehrwert abbekommen.
 
Die abstrakte Schreibweise täuscht darüber hinweg, daß sich all das langsam herauskristallisiert hat, daß soziale Rechte durch Streiks und opferreiche Arbeitskämpfe errungen – ja das Streikrecht selbst erst erkämpft werden mußte.
 

Eingriffe in privates Eigentum
 
Möglich wären zum Beispiel Eingriffe in Pharmaindustrie, Rüstungsindustrie, Trinkwasserversorgung, Wohnungsbau Krankenkassen, Bahn, Telefon- und Internetversorgung, Post, öffentlicher Nahverkehr, Abwasserbehandlung, Müllwiederaufarbeitungs- und Entsorgungsunternehmen, Warmwasser- und Energieversorgungsunternehmen, kommunale Gesundheitsversorgungseinrichtungen, Energieversorgungskonzerne und -Netze, Datennetze und Krankenhäuser. Diese Eingriffe können durch Auflagen (+ demokratische Kontrolle) oder Abschaffung dieses privaten Eigentums erfolgen. Wird eine bestimmte Sorte privaten Eigentums abgeschafft, ist die demokratische Kontrolle leicht zu organisieren. Kriminelles Potential fällt aufgrund fehlender Profitorientierung weg. Das nun öffentliche Eigentum kann nun voll auf die Erfüllung seiner gesellschaftlichen Funktion ausgerichtet werden. ( → »Was ist schlimm an „Privatisierung“?«)
 

Zerschlagung zu großen Eigentums
 
Theoretisch sollten die Freunde der Marktwirtschaft auch dafür sein, da die ideale Marktwirtschaft sich ja ständig erneuern soll. Da diese Freunde aber nicht aus akademischen Gründen Freunde der Marktwirtschaft sind, sondern weil sie mit Marktwirtschaftsrhetorik ihre Profitgier bemänteln und so eine Begründung für ihr Handeln finden, machen sie sich über Inkonsistenzen keine Gedanken. Da das Kartellrecht heute immer noch weltweit auf nationalstaatliche Ebene beschränkt ist,wird es längst ausgehebelt. Die Freunde der Marktwirtschaft stört das nicht. – Auch nicht, daß riesige transnationale Konzerne Nationalstaaten mittlerweile in vielfältiger Weise erpressen. Sozialdemokratisten – d. h. Echte Sozialdemokraten sollten nicht zu den Freunden der Marktwirtschaft gehören.
 

Fahrplan: Eingriffe in die Marktwirtschaft und Maßnahmen zur Verbesserung von Demokratie und Sozialstaat
 
Sehr schwache (fast freier Markt – nur minimal eingeschränkt) primitive Maßnahmen zur Verhinderung von Monopolmarktmacht, Gewährung des Rechts Gewerkschaften zu gründen
 
Schwache (Westeuropa) Schaffung von Marktanteilbegrenzungen (Kartellrecht) letzteres ist eigentlich keine antikapitalistische Maßnahme, da ein Kapitalismus mit Kartellrecht einfach besser funktioniert, Schaffung des Rechts, Betriebsräte zu gründen, Schaffung schwacher Einspruchsrechte von Lohnabhängigen, Anwohnern und anderen Betroffenen, Schaffung eines resriktiven Streikrechts
 
Mäßig schwache Einführungfundamentaler Mitbestimmung bei Einstellungen und Entlassungen, Einführung von Ausbildungsplatzabgabe, Tobinsteuer zur Bremsung der Spekulationsdynamik, Ausbau des Kartellrechts, Stärkere Durchsetzung des geltenden Rechts gegenüber höheren Klassen (Aufstockung der Zahl der Steuerfahnder, Verkleinerung von Steuerschlupflöchern, …) Wiedereinführung der Vermögenssteuer
 
Mittlere Schaffung geringer öffentlicher Beteiligungen an Großbetrieben zu Planung von Strukturpolitik, Einführung demokratischer Mitbestimmung bei Standortbestimmungen und Betriebsschließungen, Größenbeschränkungen, Schaffung eines internationalen Kartellrechts, Rechtliche Förderung von öffentlichem Eigentum Verschärfung des Kartellrechts im Medien- und Energieversorgungsbereich Verbot privater
  • Pharma- und
  • Rüstungsindustrie ,
Antineoliberale Politik, Stärkung von Umweltschutz und Verbraucherrechten, Einschränkung des Lobbyismus, Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens
 
Mäßig starke (antineoliberale Marktwirtschaft) (etwa wie Venezuela) Ausweitung öffentlichen Eigentums zur Entschärfung des asozialen Charakters großer Unternehmen, Verbot von privater/n
  • Trinkwasserversorung,
  • Krankenkassen,
  • Bahn und
  • Post ,
Punktuelle rechtliche Bevorzugung bestimmter Sorten öffentlichen Eigentums z. B.
  • öffentllicher Nahverkehr
  • kommunaler Trink-, Abwasser, Müllentsorungs,- Warmwasser und Energieversorgungsunternehmen
  • kommunaler Gesundheitsversorgungseinrichtungensolche rechtlichen Bevorzugungen können Querfinanzierungserlaubnisse, Steuererleichterungen und Vorkaufsrechte sein
Austritt der BRD aus kriminellen, gemeingefährlichen internationalen Organisationen (z. B. NATO) Ausbau des internationalen Kartellrechts (horizontale und vertikale Begrenzungen) Austritt aus marktradikalen internationalen Abkommen und Institutionen (z. B. WTO), Internationaler Umweltschutz, Artenschutz und Verbraucherrechte weiten sich aus, Verbot des Lobbyismus, Abschaffen letzter Steuerschlupflöcher für Unternehmer, Erhöhung von Vermögenssteuer und bedingungslosem Grundeinkommen, Recht auf nützliche Tätigkeit
 
Starke (Soziale Marktwirtschaft) klare Bevorzugung öffentlichen Eigentums z. b. durch öffentliche Vorkaufsrechte kommunale und Landes-Anteile an Großbetrieben, zusätzliche Verbote von privaten
  • Energieversorgungskonzernen und -Netzen,
  • Krankenhäusern,
Steuerliche Begünstigung der Schaffung von Arbeitsplätzen, klare Gewinnbesteuerung Weitere Stärkung des Kartellrechts, (regionale Begrenzungen in Abhängigkeit von der Luxoriosität/Alltäglichkeit), Verbot marktradikaler Organisationen, Schaffung eines echten Rechts auf Bildung, Internationales Wirken gegen Klimaveränderungen wird durch Ausweitung demokratischer Mitbestimmung möglich, Schaffung des vorsorgenden, ökologischen Staates durch demokratisch anteilnehmende Mitbestimmung, Vermögensbegrenzende Verschärfung der Vermögenssteuer
 
Sehr starke (Sozialdemokratismus = menschliche Marktwirtschaft (= Antagonismus)) Klare Bevorzugung des Menschen vor der Marktwirtschaft Ausweitung des Staats-, Landes- und kommunalen Eigentums Einführung einer Arbeitsplatzabgabe, die vom Unternehmen gezahlt wird, wenn zu wenige Arbeitsplätze geschaffen werden, Begrenzung des kapitalistischen Mehrwertanteils, Quasi Recht auf Arbeit durch flankierende steuerliche und andere Lenkungsmaßnahmen, Einführung einer Betriebskindergartenabgabe, Arbeit am Abitur für alle, Verbot privater Arztniederlassungen, öffentliche Distanz zu Standort- und Konkurrenzdenken, abtragende Vermögensssteuer
 

Einem solchen oder ähnlichen Fahrplan müßte ein Sozialdemokratist (ein echter Sozialdemokrat) eigentlich folgen. Dabei darf nicht vergessen werden, daß die Marktwirtschaft mit starken – ja selbst mit sehr starken Eingriffe aus marxistischer Sicht immer noch Kapitalismus ist, da der Mehrwert immer noch privat angeeignet wird und wesentliche Entscheidungen das Kapital betreffend, immer noch nicht demokratisch gefällt werden können.
 
Einschub{
 
Totale Abschaffung der Marktwirtschaft (Sozialismus = kein Kapitalismus)
 
Es ist klar, daß der Sozialismus, welcher den produktiven Mehrwert vergesellschaften würde, weit mehr und sicherere Sozialmaßnahmen ergreifen könnte. So würde ein echtes Recht auf Arbeit, Recht auf Kultur und Sport u. v. m. realisiert. Ein effektiver Verbraucher- und Umweltschutz könnte ohne Widerstand etabliert werden. Demokratische Planung würde möglich. Ein Verbot Arbeitskraft privat zu kaufen, wird eingeführt. Es wird aus der Betrachtung der beschriebenen “menschlichen Marktwirtschaft” schon klar, daß es für die Aneignung des Mehrwertes keinerlei Rechtfertigung gibt – bzw. anders herum gedacht – daß nur das Festhalten der Kapitalisten am Mehrwert – somit am Eigentum an Produktionsmitteln – zu einer Sozialabbaupolitik also zu genau der asozialen Politik führt, die wir heute erleben, weil die Kapitalisten mehr als die Ausgebeuteten begriffen haben, daß jede menschliche Freiheit ihren Profit schmälert. Der Kapitalist bekämpft daher jede Erleichterung und jeden Spielraum für die Unterdrückten um Abhängigkeiten zu vertiefen. Mit dem Privateigentum an Produktionsmitteln enthält eine Marktwirtschaft den Keim der Korruption des Menschen. Privateigentum an Produktionsmitteln ist Mehrwert. Mehrwert ist Ausbeutung und Ausbeutung bedingt Unterdrückung. Wir glauben daher, daß eine menschliche Marktwirtschaft nicht zu erreichen ist, wirklicher Sozialismus sich also vom Privateigentum an Produktionsmitteln emanzipieren muß. Emanzipieren heißt, daß jeder es auch nicht mehr selbst zu mißbrauchen wünscht. }
 

Arbeitskämpfe
 
Arbeitskämpfe erreichen das, was der Situation und den Kräfteverhältnissen angemessen ist. Schwache Gewerkschaften – schwache Resultate! Gewerkschaften verbessern die soziale Situation der Ausgebeuteten und stärken linke Bewegungen. Die Kraft dieser Bewegungen kann jedoch selbst bei größter Massenbasis nur aus dem ausreichenden Verständnis der Situation erwachsen. Eine Gewerkschaft, die sich über den Tisch ziehen läßt – schlimmer noch – die über kein von den Ausbeutern und deren auf allen Ebenen vorgetragener Ideologie unabhängiges Denken verfügt, ist der Bewegung auf Dauer nicht nützlich. Deswegen sind nicht die fleißigsten, die treuesten die „apparatschiksten“, die funktionierendsten oder die rhetorisch gewandtesten Gewerkschafter die besten, sondern die linkesten sind die besten.
 

Demokratisierungsbestrebungen
 
Tatsächlich gibt es in der Bundesrepublik etwas geradezu einmaliges – das Betriebsverfassungsgesetz! Dieses ist nach heutiger linker Auffassung eine besondere Blüte des Schaufensterkapitalismus. Dass Betriebsverfassungsgesetz garantiert formal die Bildung von Betriebsräten und eine gewisse Mitbestimmung in den Betrieben. So gesehen ist ein Stück Demokratie entstanden, das die Herrschaft über das Kapital leicht einschränkt, ohne jedoch das Eigentum an Produktionsmitteln selbst anzutasten. Da jedoch eine der Krisen des Kapitalismus durch den zunehmenden Widerspruch zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion und der privatkapitalistischen Aneignung besteht, geht dieses Ergebnis teilweise in die richtige Richtung, da der gesellschaftliche Charakter der Produktion erhöht wird. Heute ist von diesen Errungenschaften nicht mehr viel übrig wir können genau am Betriebsverfassungsgesetz den Unterschied zwischen Recht und Rechtspraxis erkennen. Das aufgeschriebene Recht (der Minderheiten) repräsentiert einen in der Vergangenheit durch Kampf erreichten Rechtsstatus, die Rechtspraxis hingegen das rezente Kräfteverhältnis. Auch Einspruchsmöglichkeiten, Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren sind Demokratieelemente, die im energieverbrauchenden Schaufensterkapitalismus der BRD entstanden und aus heutiger linker Sicht nicht nur erkämpft, sondern zum Teil (von den Herrschenden) gewährt wurden. (Demzufolge gibt es heute einen (schleichenden) Abbau dieser Rechte.)
 
 
 
Warum funktioniert diese Idee nicht?
 
Dafür gibt es viele Gründe wir fangen einfach an.
 
 
Ausweitung der Idee der Konkurrenz von den Unternehmen auf die Arbeitskräfte
 
Es bleibt z. B. der Widerspruch zwischen der Konkurrenz der Unternehmen und der Solidarität der Angestellten, die den Unternehmern nicht schmeckt. Zunächst gibt es Konkurrenz zwischen den Kapitalisten, ökonomischen Druck und Unternehmenspleiten, -Übernahmen und daraus folgend auch Rationalisierungen und Flexibilisierungen. Die Bedingungen für die Arbeitskräfte verschlechtern sich im Kapitalismus von allein, wenn es keine branchenübergreifende organisierte Gegenwehr gibt.
 
 
Einschub außerhalb des roten Fadens{
 
Warum sind diese Bedingungen dann trotzdem in der BRD besser, als in anderen Teilen der Welt?
 
Das liegt zum Ersten daran, daß es in den Industriestaaten – genauer den entwickelten kapitalistischen Ländern – einen nationalistisch gefärbten Klassenkompromiß gibt, welcher ein ungeschriebenes Bündnis zwischen den herrschenden Ausbeutern und den Ausgebeuteten in den Industrieländern darstellt. Diesem Pakt zufolge beuten die Industrieländer andere Länder und Völker aus, wodurch die Kapitalisten die harten Bedingungen gegenüber den eigenen Arbeitern etwas lockern (können). Der Arbeiter nimmt die Begriffe “Wirtschaftsstandort” und “Wettbewerbsfähigkeit” auf, entwickelt ausländerfeindliche Ressentiments und Verachtung für die nun auch von ihm ausgebeuteten Fremden und bildet sich ein, der höhere Lebensstandard würde auf harter Arbeit, überlegener Technologie und evtl. Eigenschaften seine Volkes beruhen. In Wirklichkeit werden die armen Länder personell, energetisch und rohstofflich ausgebeutet, was den Kapitalisten in Westeuropa in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts die Möglichkeit gab, von ihren Profiten entsprechend dem Wirtschaftswachstum einen kleinen Teil für die Verbesserung des Lebensstandards der Arbeiter und Angestellten abzugeben. Was nun die BRD angeht, kommen noch einige andere Faktoren – hauptsächlich der Marschallplan, der der BRD einen Vorsprung gab, der bewußt ausgebaut wurde, dazu.
 
Diese besseren Bedingungen für die lohnabhängig Beschäftigten hatten zum Zweiten eine Schaufensterfunktion waren also z. T. nur gewährt und werden nun nach dem Ende der Blockkonfrontation langsam abgebaut. Die energetische Ausbeutung der Erde darf in dieser Form nicht aufrecht erhalten werden.
 
Die Ausbeutung der armen Länder durch entwickelten kapitalistischen Länder führte zum Dritten auch zu einer Ausbeutung ihrer energetischen Ressourcen. Die entwickelten kapitalistischen Länder, die ohnehin schon „energieverbrauchende Länder“ sind, verbrauchen jetzt nicht nur einheimische Kohle-, Gas, und Ölvorkommen, sondern beuten sämtliche energetischen Ressourcen, die sie sich aneignen können aus, ohne den Bedarf der Herkunftsländer dabei auch nur im Mindesten zu berücksichtigen. (→ hierzu »Der energetische Blickwinkel in der Politik – Warum der Individualverkehr sterben muß«) }
 
In »Warum gibt es “Privatisierung”?« wurde beschrieben, daß es im Kapitalismus auf der Konsumseite (Realkapital) einen Kaufkraftmangel gibt, während es beim Finanzkapital einen Kaufkraftüberschuß gibt. Diese Diskrepanz entsteht und verschärft sich im Kapitalismus von allein. (→ »Was ist Akkumulation? – Warum der Kapitalismus tödlich ist«) Aufgrund dieser Diskrepanz schrumpfen langfristig die Märkte, wenn keine zusätzlichen ausbeutbaren Länder mehr entdeckt und erobert werden können. Da immer mehr arme Länder sich vom Imperialismus unabhängig zu machen suchen, gerät das System, das fressen muß, in Stagnation, die zum Zerfall führt. Insbesondere nach dem Ende der Extensivierung der Ausbeutung sind die Kapitalisten desto mehr auf eine ständige Intensivierung der Ausbeutung angewiesen. Gleichzeitig versuchen sie öffentliche Einrichtungen, von denen viele Menschen abhängig sind zu “privatisieren“. Man kann also sehen, daß – obwohl es sich einigen Westeuropäern vierzig Jahre lang anders dargestellt hat – und der Kapitalismus die Lebensbedingungen für die Menschen in Wirklichkeit ständig verschlechtert. (Das wollen viele Leute bis heute nicht wahrhaben.) Versuche des Imperialismus, die Extensivierung der Ausbeutung durch Krieg wieder aufzunehmen, müßten vom Sozialdemokratismus theoretisch zu verhindern gesucht werden. Da das Marktgeschehen, das kapitalistische Leben dominiert, lassen Unternehmerverbände Eingriffe in Märkte nicht zu. Mit Hilfe von Lobbyismus, Korruption, Scheindemokratie, vor allem aber mit modernen Meinungsbildungsinstrumenten kämpfen sie entschieden gegen alle Eingriffe durch den Staat, obwohl sie selbst unter diesem Markt leiden. Sozialdemokratisten müßten hier Widerstand leisten.
 

Korruption und Unterwanderung
 
Die Gesetzgebung wird von Menschen gemacht, die korrumpierbar sind. Sie werden mit oder ohne Korruption durch systematische Lobbyarbeit beeinflußt.
 
Die Kapitalisten beeinflussen die öffentliche Meinung nicht nur auf der Ebene der Propaganda oder der Presse, sondern von Anfang an bereits auf ideologischer Ebene. Gegen diese Art der Propaganda haben rechtsstaatsgläubige Gewerkschafter oder Sozialdemokratisten keine Chance. Durch systematischen Antikommunismus ist es den Kapitalisten (hier eigentlich Imperialisten) gelungen, alles linke und insbesondere die Idee der Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmittel, ja selbst die Abschaffung oder Einschränkung der freien Marktwirtschaft als sozialistisch oder kommunistisch zu diffamieren.
 
Lange Zeit waren Sozialdemokratisten liiert bzw. bis auf linkere Mitglieder fast identisch mit Gewerkschaftsbewegungen. Das war nicht falsch, allerdings ist gerade die Tatsache, daß man sich auf Gewerkschaftsarbeit, also auf tariflichen Widerstand (wo man natürlich auch Arbeitsbedingungen, Arbeitsschutz und andere Konditionen verbessern konnte,) kaprizierte, charakteristisch für den sozialdemokratistischen Widerstand, der immer weniger als Widerstand gegen die Macht des Kapitals und seine Grundlage geführt wurde (und in der Praxis auch immer nationalistischer wurde). Tarife und Arbeitsbedingungen sind ein Symptom für ideologische Macht des Privateigentums an Produktionsmitteln, das die Verfügung über das Eigentum und den daraus gezogenen Profit sicherstellt. Wer die Legitimität dieser Verfügungsgewalt nicht anzweifelt, agiert in einem engen (ideologischen und praktischen) Rahmen.
 
Gesellschaftliche Korruption Ist von Korruption die Rede, denkt man an Geld, das für Amtsmißbrauch, illegale Amtsleistungen, Informationen oder ähnliches bezahlt wird. Es gibt jedoch auch eine Form der politischen Korruption, die in gesellschaftlicher Anerkennung besteht. Diese insbesondere über lange Zeit subtil wirkende Form der Korruption ist sehr gefährlich. Man denke nur an die legendären Seitenwechsel von Wulf-Mathies, Momper, Clement, Schröder, im Frühjahr 2011 wollte die Barma-Chefin zur Pharma-Lobbyistin werden. Diese relativ beliebig ausgewählten Beispiele zeigen, daß man sich auf viele, die vorgeben, Sozialdemokratisten zu sein, längst nicht mehr verlassen kann. Dabei gibt es Warnsignale. Diese werden im hiermit befaßten Nachfolgeartikel »Was ist falsche Sozialdemokratie?« behandelt.
 

Kapitalismus als Religion Das Eigentum als Idee repräsentiert selbst die Ungleichheit. Wer diese Ungleichheit (unbewußt) akzeptiert, träumt selbst vom Reichtum und wird das Eigentum an Produktionsmitteln nicht antasten wollen. Wer an Ungleichheit glaubt, — wer besser sein will, als andere, kann Arbeits- oder Bildungsrechte nicht durchsetzen bzw. höchstens als isolierte einzelne Idee verfechten.
 
 
 
Rezente Vertreter eines Sozialdemokratismus in der BRD
 
(Nähere Erläuterungen zu diesem Abschnitt in »Wo stehen die Parteien im politischen Spektrum?«) Derzeit kann nur die Linkspartei (PdL in größerer Breite sozialdemokratistische Strömungen aufweisen. Zwar gibt es dort auch Sozialisten und Kommunisten und andere Linke, die Masse der Mitglieder ist jedoch diffus links oder sozialdemokratistisch. Außerdem gibt es natürlich auch Rechtsausleger, die selbst diese rote Linie nach rechts schon überschritten haben.
 
Diskussion des politischen Umfeldes Mitunter wird von falschen Sozialdemokraten (die links tun und rechts handeln) Das Wort „Sozialdemokratie“ nicht nur für die Bewegungsrichtung, sondern in Abgrenzung zum Sozialismus als Bezeichnung für eine Gesellschaftsordnung benutzt. („Kampf für eine Sozialdemokratie“) Diese Benutzung meint dabei jedoch klar eine kapitalistische Gesellschaft. Wer für eine „Sozialdemokratie“ kämpft, kämpft nicht mehr gegen den Kapitalismus. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands ist, wie in »Was ist falsche Sozialdemokratie?« und »“Sozialdemokratischer” Imperialismus?« erläutert wird, längst auf einem verschleiert nationalistischen Pfad des Klassenkompromiß’, der in Neoliberalismus und Krieg mündete, eingeschwenkt. Die SPD ist keine Vertreterin des Sozialdemokratismus. Sie erscheint hier nur ihres Namens wegen, Bü90-Die Grünen sind weiter links als die SPD5 jedoch klar bürgerlich. Die neue Piratenpartei repräsentieren derzeit die Mitte des politischen Spektrums und ist eine Datenschutzpartei mit ökologischen und demokratischen Zügen, die zunächst die Hoffnung nährte in gewissen Fragen Widerstandspotential zu akkumulieren. Jedoch zeigen Debatten, wie die um das bedingungslose Grundeinkommen, dem sie zunächst nicht zustimmten, daß soziale Fragen nicht den Stellenwert wie in einer „kapitalismuskritischen“ Partei haben. Nicht nur, daß sie das Privateigentum an Produktionsmitteln nicht abschaffen will, sie will auch den Kapitalismus nicht verbessern. Geistig bleibt sie im bürgerlichen Sumpf des Bürgerrechts stecken. Sie ist noch keine sozialdemokratistische Partei. Wir – die DKP – kämpfen für Menschenrechte und sind auch keine sozialdemokratistische Partei (aber) weil wir viel weiter links stehen.
 
 
 
Fazit
 
Die Idee des Sozialdemokratismus ist es also, durch Arbeitskämpfe die Bedingungen der Ausgebeuteten zu verbessern, die Unternehmer und ihre Parteien dabei als politisch gleichberechtigte und normale politische Bewegungen zu akzeptieren. Was von der von der Idee geblieben ist, steht in »Was ist falsche Sozialdemokratie?«.
 
Die Idee selbst ist bereits ein Opportunismus. Ursprünglich entstanden aus sozialistischen Idealen, eingeschränkt und kanalisiert durch Herrschaftsgewalt, Legalismus und Unterwürfigkeit, schließlich geistig eingezwängt in Opportunismus und bürgerliches Rechtsstaatsdenken, wurden die Ideen vom Umsturz einer unmenschlichen Gesellschaftsordnung auf das Niveau humanistischer Nächstenliebe im Kapitalismus zurückgestutzt.
 
Jedoch hat die Abschaffung des Kapitalismus in der sozialdemokratistischen Bewegung noch rhetorische Bedeutung. In dieser Rhetorik wird vom Reformismus schwadroniert, ohne daß dies je Konsequenzen hätte. Der Reformismus dient heute der Übung der Rhetorik sogenannter Jusos6. Angriff auf‘s, oder wenigstens Kritik am Eigentum könnte den Sozialdemokratisten nützen, aus antikommunistischer Scham tun sie es aber nicht! Der Sozialdemokratismus operiert bereits geistig nur mit Symptomen. Die niedrige Vermögenssteuer7 ist kein Widerstand gegen das Kapital, sondern gelebter Kapitalismus.
 
Die deutsche Bevölkerung und somit auch potentielle Sozialdemokratisten sind außerdem nicht bewußt und nicht demokratisch genug, um die Feinde der Demokratie und des Fortschritts zu erkennen. (→ Serie zur Demokratie) [Evariste] Verbessert am 10.03.2014, 15.04.2015
 

Wieder hoch zur Serie zum Sozialdemokratismus

 

Wieder hoch zur Serie zur falschen Sozialdemokratie

 
  Fußnoten
 
1 Zur „echten“ und „falschen Sozialdemokratie → auch »Wie kommt das politische Spektrum zustande?«.
2 Höhe des Reallohnes, der Rente, Höhe der Miete, Höhe der Krankenversicherung
3 z. B. gegen Null
4 Die Krankenversicherung mit paritätischer Finanzierung, wie auch die Rentenversicherung selbst wurde aus Angst vor den Sozialdemokraten von einem ihrer größten Feinde dem Reaktionär Bismarck eingeführt. Trotzdem legen wir Wert auf die Tatsache, daß es hier seit Bismark von Seiten der Sozialdemokratie her keine Verbesserung gegeben hat. Wir kommen daher nicht umhin festzustellen, daß die sogenannte Sozialdemokratie diese paritätische Finanzierung offenbar gerecht findet. Mittlerweile ist die paritätische Finanzierung Geschichte, da die konservativen Parteien sie in der Vergangenheit schon „eingeschränkt“ und 2007 abgeschafft haben.
5 Wem das unverständlich erscheint, möge dem obigen Link folgen: »Wo stehen die Parteien im politischen Spektrum?«!
6 Jungsozialisten – ein Namensanachronismus, der bis in die falsche sozialdemokratische Bewegung – pardon – bis in den falschen sozialdemokratischen Stillstand – überlebt hat.
7 Inzwischen von den falschen Sozialdemokraten zusammen mit der CDU/CSU und FDP abgeschafft.

Von Evariste

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